Angélique - Am Hof des Königs
hat«, fuhr sie fort, als sie wieder zum Vorschein kam.
»Dass er es absichtlich gemacht hat? Was denn, Madame?«
»Sterben natürlich! Aber ich vergesse alles. Ich war schon immer ein sehr großmütiger Mensch, obwohl manche anderes behaupten. Und mein Vater ist einen christlichen Tod gestorben... Das ist mir ein großer Trost. Mich ärgert bloß, dass sein Leichnam ohne jeden Prunk und Aufwand, lediglich von ein paar Gardisten und Priestern begleitet, nach Saint-Denis gebracht worden ist. Findet Ihr das etwa akzeptabel?«
»Ganz bestimmt nicht«, stimmte ihr Angélique zu, die sich vor einem Fauxpas zu fürchten begann.
Bei diesem Toten, den man in Saint-Denis zu Grabe getragen hatte, musste es sich um ein Mitglied der königlichen Familie handeln. Es sei denn, sie hätte sich vielleicht verhört …
»Wenn ich dabei gewesen wäre, wäre das Ganze anders verlaufen,
das könnt Ihr mir glauben«, erklärte die Dame mit einer hochmütigen Bewegung des Kinns. »Ich liebe Prunk und lege Wert darauf, dass man sich seinem Stand entsprechend verhält.«
Sie verstummte, um sich in dem Spiegel zu betrachten, den der vor ihr kniende François Binet ihr hinhielt, und ihre Miene hellte sich auf.
»Das ist ja wunderbar«, rief sie. »Was für eine kleidsame und schmeichelnde Frisur. Euer Friseur ist ein wahrer Künstler, meine Schöne. Denn mir ist sehr wohl bewusst, dass ich schwieriges Haar habe.«
»Eure Hoheit besitzt sehr feines Haar, aber es ist geschmeidig und voll«, erwiderte der Perückenmacher belehrend. »Mit solchem Haar kann man die schönsten Frisuren formen.«
»Wirklich, Ihr schmeichelt mir. Ich werde Euch hundert Ecus aushändigen lassen. Mesdames! Mesdames...! Dieser Mann muss unbedingt auch noch den Kleinen die Haare kräuseln.«
Mit Mühe zerrte man die »Kleinen«, zwei halbwüchsige Mädchen, aus einem angrenzenden Zimmer, wo Ehrendamen und Kammerfrauen schwatzten.
»Das sind gewiss Eure Töchter, Madame?«, erkundigte sich Angélique.
»Nein, das sind meine jüngeren Schwestern. Sie sind unausstehlich. Schaut Euch nur die Kleine an: Das einzig Schöne an ihr ist ihr Teint, und sie hat es doch tatsächlich fertiggebracht, sich so sehr von Stechmücken zerfleischen zu lassen, dass sie völlig verquollen ist. Und jetzt heult sie auch noch.«
»Sie ist bestimmt auch bekümmert über den Tod ihres Vaters?«
»Aber nicht doch. Man hat ihr nur zu oft gesagt, sie werde eines Tages den König heiraten; alle nannten sie bloß noch die ›Kleine Königin‹. Und jetzt ist sie beleidigt, weil er eine andere heiratet.«
Während sich der Friseur um die beiden jungen Mädchen kümmerte, drang plötzlich Lärm von der schmalen Treppe her, und ein junger Edelmann erschien auf der Schwelle. Er war mittelgroß und hatte ein stark geschminktes Gesicht, das aus einem üppigen Spitzenjabot hervorschaute. Darüber hinaus trug er mehrere Reihen von Spitzenrüschen an den Ärmeln und den Knien. Trotz der frühen Stunde war er sehr sorgfältig gekleidet.
»Meine liebe Cousine«, erklärte er mit gezierter Stimme, »ich habe gehört, Ihr hättet hier einen Perückenmacher, der wahre Wunder vollbringt.«
»Ach, Philippe, wenn es um solche Neuigkeiten geht, seid Ihr hellhöriger als eine hübsche Frau. Sagt wenigstens erst, dass Ihr mich schön findet.«
Ihr Gegenüber kräuselte die sehr roten, vollen Lippen und musterte mit zusammengekniffenen Augen ihre Frisur.
»Ich muss zugeben, dieser Künstler hat mehr aus Eurem Gesicht herausgeholt, als man hoffen durfte«, erwiderte er mit einer Unverschämtheit, der er durch ein kokettes Lächeln die Spitze nahm.
Dann kehrte er ins Vorzimmer zurück und beugte sich über das Geländer.
»Guiche, mein Liebster, kommt herauf. Hier sind wir richtig.«
In dem Adligen, der kurz darauf ins Zimmer trat – einem hübschen, gut gebauten Jüngling mit dunklem Haar und dunklem Teint -, erkannte Angélique den Grafen de Guiche, den ältesten Sohn des Herzogs von Gramont, des Gouverneurs des Béarn. Der als Philippe Angesprochene ergriff den Arm des Grafen de Guiche und lehnte sich zärtlich an seine Schulter.
»Ach, ich bin ja so glücklich. Wir werden ganz bestimmt die am besten frisierten Männer des ganzen Hofes sein. Péguilin und der Marquis d’Humières werden grün anlaufen vor Neid.
Ich habe eben gesehen, wie sie verzweifelt nach ihrem Barbier suchten, den Vardes ihnen mit Hilfe einer prall gefüllten Börse abspenstig gemacht hat. Den beiden ruhmreichen Hauptleuten
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