Angélique - Am Hof des Königs
seiner verschmitzten Gerissenheit und der klugen Einstellung dieses Bediensteten. So redete er etwa alle Adligen mit »Hoheit« an, um nur ja nicht Gefahr zu laufen, jemanden zu kränken.
In ihrem Zimmer, in dem das Durcheinander in der Zwischenzeit noch größer geworden war, fand Angélique ihren Gemahl vor, der sich bereits ein Tuch um den Hals gebunden hatte und auf seinen Barbier wartete.
»Also wirklich, junge Dame!«, rief er. »Ihr verliert ja keine Zeit. Ich lasse Euch, noch halb verschlafen, zurück, um mich nach Neuigkeiten und dem Ablauf der Zeremonien zu erkundigen, und kaum eine Stunde später sehe ich Euch vertraut zwischen der Herzogin von Montpensier und Monsieur, dem Bruder des Königs, an der Balkonbrüstung lehnen.«
»Die Herzogin von Montpensier! Die Grande Mademoiselle!« 5 , rief Angélique. »Mein Gott! Darauf hätte ich auch selbst kommen können, als sie mir erzählte, dass ihr Vater kürzlich in Saint-Denis beigesetzt worden ist.«
Während Angélique sich entkleidete, berichtete sie ihrem Gemahl, wie sie zufällig die Bekanntschaft der berühmten Streiterin der Fronde gemacht hatte, deren Vater Gaston d’Orléans, der Bruder von Ludwig XIII., vor kurzem gestorben war und die der Tod ihrer Mutter, Marie de Bourbon-Montpensier, die ihre Geburt nicht überlebt hatte, zur reichsten Erbin Frankreichs gemacht hatte.
»Ihre jüngeren Schwestern, Mademoiselle de Valois und Mademoiselle d’Alençon, sind also nur ihre Halbschwestern. Binet hat ihnen ebenfalls die Haare gerichtet.«
Da stürzte auch schon der atemlose Barbier ins Zimmer und begann das Kinn seines Herrn einzuseifen. Angélique stand im Unterkleid da, aber das kümmerte nun niemanden mehr. Sie mussten sich beeilen, um dem Ruf des Königs zu folgen, der verlangt hatte, dass die Adligen seines Hofes noch an diesem Morgen zur zeremoniellen Begrüßung vor ihm erschienen. Später wären alle so sehr mit den Vorbereitungen für das Treffen mit den Spaniern beschäftigt, dass den Franzosen keine Zeit mehr für offizielle Vorstellungen bleiben würde.
Den Mund voller Nadeln, streifte Marguerite Angélique einen ersten Rock aus schwerem Goldstoff über. Danach folgte ein zweiter Rock aus hauchzarter Goldspitze, deren Muster von Edelsteinen nachgezeichnet wurde.
»Und dieser weibische junge Mann soll tatsächlich der Bruder des Königs sein?«, fragte Angélique. »Er hat sich dem Grafen de Guiche gegenüber äußerst merkwürdig verhalten, man hätte allen Ernstes glauben können, er sei in ihn verliebt. Oh Joffrey, glaubt Ihr wirklich, dass sie... dass sie...«
»So etwas nennt man ›auf die italienische Art lieben‹«, antwortete
der Graf lachend. »Unsere Nachbarn jenseits der Alpen sind so verwöhnt, dass sie sich nicht mehr mit den schlichten Freuden der Natur begnügen wollen. Wir verdanken ihnen zwar die Wiedergeburt der Literatur und der Künste und dazu noch einen Gauner von einem Minister, dessen Geschick Frankreich in der Vergangenheit durchaus nützlich gewesen ist, aber angeblich auch die Einführung dieser Sitten. Zu schade, dass ausgerechnet der einzige Bruder des Königs sie sich zu eigen macht.«
Angélique runzelte die Stirn.
»Der Prinz hat behauptet, Ihr hättet eine zärtliche Hand. Ich wüsste zu gerne, bei welcher Gelegenheit er das bemerkt hat.«
»Meine Güte, Monsieur genießt die Berührungen von Männern! Es kann gut sein, dass er mich einmal gebeten hat, ihm zu helfen, seinen Kragen oder seine Manschetten zu richten. Er lässt keine Gelegenheit aus, sich hätscheln zu lassen.«
»Er hat in solchen Worten von Euch gesprochen, dass ich beinahe eifersüchtig geworden wäre.«
»Ach, meine Liebste, wenn Ihr anfangt, Euch so etwas zu Herzen zu nehmen, werdet Ihr bald in Intrigen untergehen. Der Hof ist ein riesiges, klebriges Spinnenetz. Ihr werdet Euch hoffnungslos darin verheddern, wenn Ihr die Dinge nicht von einer sehr hohen Warte herab betrachtet.«
»Ich habe mir sagen lassen«, mischte sich François Binet ein, der so schwatzhaft war, wie es sein Beruf erforderte, »dass Kardinal Mazarin die Neigungen des Bruders des Königs gefördert hat, damit sich der Kleine Monsieur nicht irgendwann durch seinen Bruder zurückgesetzt fühlt. Er hat befohlen, ihn wie ein kleines Mädchen anzuziehen und seine kleinen Spielkameraden genauso zu verkleiden. Es steht immer zu befürchten, dass der Bruder des Königs eines Tages anfängt, sich an Verschwörungen zu beteiligen, genau wie dieser unerträgliche
Weitere Kostenlose Bücher