Angélique - Am Hof des Königs
und andere Angelegenheiten,
dem weltlichen Gericht überstellt, um für seine Verbrechen zur Rechenschaft gezogen zu werden.
Auf die am 26. Juni 1660 durch P. Vénot erfolgte Anklage hat nämlicher de Peyrac weder einen eigenen Antrag gestellt noch Widerspruch eingelegt, sondern nur gesagt, Gottes Wille geschehe!«
»In weniger rätselhaften Worten«, erklärte Desgrez, »bedeutet das, dass das Kirchengericht über Euren Gemahl in Abwesenheit, das heißt, ohne Wissen des Beschuldigten, geurteilt und von vornherein seine Schuld beschlossen hat. Anschließend wurde er der weltlichen Justiz des Königs überstellt.«
»Und Ihr glaubt, dass der König diesen albernen Geschichten Glauben schenken wird? Sie entspringen doch lediglich der Fantasie eines eifersüchtigen Bischofs, der über die ganze Provinz herrschen möchte und sich von den Hirngespinsten eines rückständigen und obendrein noch verrückten Mönchs wie diesem Bécher beeinflussen lässt.«
»Ich kann lediglich über die Fakten urteilen«, erwiderte der Advokat. »Und dieses Dokument hier beweist, dass der Erzbischof großen Wert darauf legt, in dieser Angelegenheit im Hintergrund zu bleiben. Seht Ihr, sein Name taucht nirgendwo auf, trotzdem gibt es keinen Zweifel daran, dass er die erste Verurteilung hinter verschlossenen Türen veranlasst hat. Der Verhaftungsbefehl hingegen trug die Unterschrift des Königs und die vom Gerichtspräsidenten Séguier. Séguier ist ein rechtschaffener Mann, aber schwach. Er wacht darüber, dass in Justizangelegenheiten alle Formalien eingehalten werden. Für ihn haben die Befehle des Königs Vorrang vor allem anderen.«
»Aber wenn der Prozess eröffnet wird, zählt doch nur noch die Einschätzung des Schwurgerichts?«
»Ja«, gab Desgrez widerstrebend zu. »Aber wer wird die Mitglieder des Schwurgerichts ernennen?«
»Und welche Gefahr droht meinem Gemahl Eurer Ansicht nach bei einem solchen Prozess?«
»Zunächst die Folter der peinlichen und hochnotpeinlichen Befragung und anschließend der Scheiterhaufen, Madame!«
Angélique spürte, wie sie erbleichte, und Übelkeit erfasste sie.
»Aber man kann einen Mann seines Standes doch nicht einfach so aufgrund dummer Gerüchte verurteilen!«, wiederholte sie.
»Deswegen dienen sie ja auch nur als Vorwand. Wollt Ihr meine Meinung hören, Madame? Der Erzbischof von Toulouse hatte niemals die Absicht, Euren Gemahl einem weltlichen Gericht auszuliefern. Er hoffte zweifellos, dass ein kirchliches Urteil genügen würde, um seinen Hochmut zu brechen und ihn den Ansichten der Kirche gegenüber gefügig zu machen. Aber unversehens ist seiner Exzellenz die Intrige aus den Händen geglitten, und wisst Ihr, warum?«
»Nein.«
»Weil da noch etwas anderes mit im Spiel ist«, antwortete François Desgrez und hob einen Finger. »Neben all seinen Neidern besaß Euer Gemahl zweifellos auch zahllose Feinde, die sich seinen Untergang geschworen hatten. Die Intrige des Erzbischofs hat ihnen einen wunderbaren Anlass geliefert. Früher vergiftete man seine Feinde im Dunkeln. Jetzt aber macht man so etwas am liebsten in aller Form und Öffentlichkeit: Man klagt an, man richtet, man verurteilt. So hat man ein ruhiges Gewissen. Wenn der Prozess Eures Gemahls stattfindet, wird er sich auf die Anklage der Hexerei stützen, aber das wahre Motiv für seine Verurteilung werden wir nie erfahren.«
Wieder tauchte vor Angéliques innerem Auge flüchtig das Bild der Giftschatulle auf. Sollte sie Desgrez davon erzählen? Sie zögerte. Darüber zu sprechen würde bedeuten, unbegründeten Vermutungen Gestalt zu geben, vielleicht sogar, die ohnehin schon so komplexen Spuren zusätzlich zu verwirren.
»Was glaubt Ihr denn, was das sein könnte?«, fragte sie mit unsicherer Stimme.
»Ich habe nicht die leiseste Ahnung. Alles, was ich Euch sagen kann, ist, dass ich meine Nase lange genug in diese Angelegenheit gesteckt habe, um entsetzt zurückzuschrecken angesichts der hochrangigen Persönlichkeiten, die darin verwickelt sind. Kurzum, ich wiederhole noch einmal, was ich Euch bereits beim letzten Mal gesagt habe: Alles beginnt beim König. Wenn er den Verhaftungsbefehl unterzeichnet hat, dann deshalb, weil er seinen Inhalt gutheißt.«
»Wenn ich daran denke«, sagte Angélique leise, »dass er ihn gebeten hat, für ihn zu singen. Und anschließend hat er so liebenswürdige Worte für ihn gefunden! Dabei wusste er bereits, dass man ihn verhaften würde.«
»Zweifellos, aber unser König hatte, was
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