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Angélique - Am Hof des Königs

Angélique - Am Hof des Königs

Titel: Angélique - Am Hof des Königs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Golon
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mir in das Justizpalais,
Dann seht ihr gleich, dass unser großer Rabelais
Nicht annähernd hat das beschrieben,
Was hier an Diebstahl wird betrieben
Von Spitzbuben aus allerhöchsten Kreisen,
Die Gier und Unterdrückung preisen.
Kommt und seht, ihr glaubt es kaum …«
    Empörte Rufe unterbrachen sie. Der alte Onkel von Maître Fallot erstickte fast an seinem Wein. Mit einem Ungestüm, das sie ihrem würdevollen Schwager gar nicht zugetraut hätte, riss dieser ihr das Blatt aus den Händen, knüllte es zusammen und warf es aus dem Fenster.
    »Welch eine Schande, meine Schwester!«, schrie er. »Wie könnt Ihr es wagen, solchen Unrat in unser Haus zu bringen! Ich wette, Ihr habt es von einem dieser verhungerten Schreiberlinge auf dem Pont-Neuf gekauft.«
    »Ihr habt recht. Jemand hat es mir in die Hand gedrückt und zehn Sols dafür verlangt. Ich habe nicht gewagt, sie ihm zu verweigern.«

    »Die Unverschämtheit dieser Leute übertrifft wirklich jede Vorstellung. Ihre Feder macht nicht einmal vor den ehrbaren Männern des Gesetzes halt. Und dann sperrt man sie auch noch in die Bastille, als wären sie Adlige, während in Wahrheit das schwärzeste Verlies des Châtelet noch zu gut für sie ist.«
    Hortenses Gatte schnaubte wie ein Stier. Nie hätte Angélique vermutet, dass er in solche Erregung geraten könnte.
    »Wir werden überschüttet mit Pamphleten, Schmähschriften und Liedern. Sie verschonen niemanden, weder den König noch den Hof, nicht einmal vor Blasphemie schrecken sie zurück.«
    »Zu meiner Zeit«, ergänzte der alte Onkel, »kamen die Neuigkeitenkrämer eben erst auf. Aber inzwischen hat sich dieses Ungeziefer zu einer wahren Plage entwickelt. Es ist eine Schande für unsere Hauptstadt.«
    Er redete selten und öffnete den Mund normalerweise nur, um ein Glas Quittenwein oder seine Tabakdose zu verlangen. Dieser lange Satz verriet, wie sehr ihn der Inhalt des Pamphlets aufgewühlt hatte.
    »Keine ehrbare Frau wagt sich zu Fuß auf den Pont-Neuf«, bemerkte Hortense scharf.
    Maître Fallot war ans Fenster getreten und beugte sich hinaus.
    »Der Fluss hat das Schandblatt schon fortgetragen. Ich wüsste nur zu gerne, ob es vom Schmutzpoeten unterzeichnet war.«
    »Ganz bestimmt«, antwortete sein Onkel. »Dieses Gift kann nicht täuschen.«
    »Der Schmutzpoet«, murmelte Maître Fallot leise. »Der Mann, der die Gesellschaft in ihrer Gänze kritisiert, der geborene Rebell, der gewerbsmäßige Parasit! Ich habe ihn einmal auf einem Podest stehen sehen, von dem aus er ich weiß nicht welche Hirngespinste in die Menge verbreitete. Der Kerl heißt Claude Le Petit. Wenn ich mir vorstelle, dass diese bleiche, dürre Bohnenstange es geschafft hat, dass selbst die Prinzen und der König
vor Wut mit den Zähnen knirschen, empfinde ich es als äußerst entmutigend, in solchen Zeiten zu leben. Wann werden die Büttel uns endlich von diesen Schandmäulern befreien?«
    Alle seufzten noch einige Minuten, dann war der Zwischenfall beendet.
    In den darauffolgenden Tagen war Angélique zu sehr in Gedanken versunken, um Hortenses Treiben große Aufmerksamkeit zu schenken. Ihre Schwester hatte eine wissende Miene aufgesetzt, die sie gelegentlich mit einem mitleidigen oder auch triumphierenden Lächeln garnierte.
    Angélique stand noch immer unter dem Eindruck ihrer schrecklichen Erlebnisse in den Tuilerien, und so nahm sie Hortenses Grimassen als eine berechtigte Reaktion auf ihre in der Tat wenig glanzvolle Situation gleichmütig hin. Doch nach einigen Tagen erkannte sie, dass Hortense ihr durch dieses übertriebene Mienenspiel zu verstehen geben wollte, dass sie Marguerites Abwesenheit bemerkt hatte.
    Haha, deine treue Kammerzofe!, schien sie zu sagen. Sie hat dich genauso sitzenlassen wie alle anderen! Es hat dir nichts genutzt, so zu tun, als würdest du sie mögen!
    Jetzt verstand sie auch die Bemerkungen, die ihre Schwester bei den Mahlzeiten und zu sonstigen Gelegenheiten ohne erkennbaren Anlass in die Runde warf.
    »Dienstboten sind allesamt Lumpen, darum muss man sie auch mit harter Hand führen«, oder »Ein schwacher Herr wird unweigerlich betrogen. Dieses Los blüht allen gleichermaßen …!«
    Hortense war nicht dumm, im Gegenteil, sie verfügte über eine beachtliche Intelligenz und durchschaute die Menschen in ihrer Umgebung. Sie hätte zu gerne gewusst, was vorgefallen war. Marguerites Verschwinden erschien ihr nicht normal. Das Band, das sie zwischen Angélique und dieser treuen, kräftigen Frau aus dem

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