Angélique - Am Hof des Königs
antwortete Angélique mit einem raschen Knicks.
»Dann lasst uns in diese Richtung gehen! Ich möchte ans Meer...«, entschied die Grande Mademoiselle.
Sie schien entzückt zu sein, eine charmante, gutwillige Begleitung gefunden zu haben.
»Ach, meine Liebe! Man wohnt hier so beengt, dass man keinen anderen Gedanken mehr kennt, als aus diesen Häusern zu fliehen, um die herrliche Luft zu atmen und die schönen Ausblicke zu genießen. Saint-Jean-de-Luz ist eine reiche kleine Stadt, weil die Eigner der Walfangschiffe sich hier schöne Häuser haben bauen lassen. Allerdings genügt das nicht, damit die Stadt auf einen Schlag zu einer prunkvollen improvisierten Hauptstadt werden könnte. Also sieht man hier alles Mögliche: Federgeschmückte Reiter, die die Kutschen der Damen belagern wie auf dem Cours la Reine... Da hinten stehen drei Bischöfe und halten eine Synode ab … Und gerade eben sind wir an einem Gelehrten vorbeigekommen, der dabei war, ein Madrigal für seinen Gönner zu verfassen oder eine Ansprache, die ein Marschall vor dem König halten soll. Man kann nicht einmal behaupten, dass man sich in die schlichte Herzlichkeit einer Provinzstadt versetzt fühlte, wo jedermanns Stand Rechnung getragen würde … Nein! Herzöge und Pairs wohnen in armseligen Löchern, die sie unter normalen Umständen nicht einmal ihren Lakaien zumuten würden. Aber was soll man da machen...? Wie soll man das rechte Maß bei den guten Manieren wahren? Alles zerbricht! Alles löst sich auf.
Aber ich habe Euch ja gesagt, ich fühle mich unter solchen Umständen recht wohl. Eine vorübergehende Gleichheit verringert die Distanz. Stellt Euch bloß vor, kaum waren wir hier eingetroffen, als einer der Schauspieler aus dem Gefolge des Königs Vater geworden ist. Nun, der Herzog von Orléans und ich selbst haben uns erboten, Pate und Patin des Kleinen zu werden. Das Kind hat daraufhin den schönen Namen Philippe-Louis erhalten...! Manche haben uns Vorwürfe gemacht, weil
wir diese Ehre einfachen Komödianten erwiesen haben, von denen es heißt, sie stünden außerhalb der Kirche. Aber ich sehe das nicht so.
Die französischen Schauspieler sind höchst unterhaltsam. Sie waren die Ersten, die den großen Corneille aufgeführt haben, was ihnen selbst Größe verleiht. Wir gehen jeden Abend ins Theater, um ihnen zu applaudieren … Königin Anna zieht die spanischen Komödianten vor, die sie hier nach langer Zeit wiedergefunden hat. Zweifellos genießt sie es, ihre heimische Literatur aufgeführt zu sehen. Aber ich teile ihre Begeisterung nicht. Ich will Euch sogar gestehen, dass ich bei einem Besuch dort verstanden habe, was uns Franzosen von den Spaniern trennt. Vielleicht nutzen die spanischen Erzieher und Hofmeisterinnen dieses Theater zur Erziehung der Infanten und Infantinnen, die angeblich wie Gefangene in ihren Palästen leben. Mag sein. Aber für meinen Geschmack waren diese Pantomimen einfach nur skandalös, fast schon eine Entweihung der Mysterien der Religion. Wir Franzosen sind diese unflätige Art einfach nicht gewohnt...«
Mademoiselle verstummte und schüttelte mehrmals verständnislos und verwundert den Kopf.
»Ich begleite Königin Anna jeden Abend, um ihr eine Freude zu machen«, fuhr sie schließlich fort. »Das bin ich ihr schuldig. Sie ist meine Tante. Und wir haben gemeinsam so viel durchgemacht. Die Flucht nach Saint-Germain zum Beispiel, wo es keine Betten gab und furchtbar kalt war! Zum Glück war die Pariser Bevölkerung mir immer wohlgesinnt und hat mein Gepäck und meine Möbel durchgelassen! Die Königin und der kleine König waren mir damals sehr dankbar dafür, dass ich sie ihnen zur Verfügung stellte. Der Kleine Monsieur lag krank im Palais-Royal und war in dem ganzen Durcheinander vergessen worden. Glücklicherweise hat sich Monsieur de Feuillange an ihn erinnert und sich bemüht, ihn aus Paris herauszubringen.
Er hat ihn in einen Umhang gewickelt und in eine Truhe gepackt, so konnte er die Barrikaden an der Porte Saint-Honoré passieren, ohne Verdacht zu erregen... Weder die Königin noch ich selbst oder meine Schwestern, die damals noch Säuglinge waren, werden jemals vergessen, was uns eint... Über die spanischen Schauspieler werde ich öffentlich kein Wort verlieren, um meine liebe Tante nicht zu bekümmern...«
Bei Mademoiselle brauchte man keine Sorge zu haben, dass ihr die Gesprächsthemen ausgingen.
Dennoch nutzte Angélique eine kleine Pause, um ihr zu erzählen, welchen Eindruck der
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