Angélique - Am Hof des Königs
König auf sie gemacht hatte, als sie zum ersten Mal vor ihm stand. Zum einen hatte sie ihn sich nicht so jung vorgestellt, obwohl sie wusste, wie alt er war. Und dann hatte sie sein hoheitsvolles Auftreten beeindruckt, das in so scharfem Widerspruch zu seiner Jugend stand. Lag der Grund dafür womöglich in seinem Blick, mit dem er zu schauen schien, ohne etwas zu sehen, und dabei trotzdem offenbar jedes noch so kleine Detail wahrnahm?
»So war er schon immer«, gab die Grande Mademoiselle zu. »Schon als Säugling hat die Art und Weise, wie er die Menschen in seiner Umgebung anschaute, manchen missfallen. Darum gab es auch so viele, die ihn nicht mochten und die es sich nicht versagten, seine Haltung mit der Liebenswürdigkeit seines Bruders zu vergleichen, der uns alle bezauberte. Aber ich habe mich nie einschüchtern lassen, schon gar nicht von ihm, auch nicht, als er noch in den Windeln lag. Stellt Euch nur einmal vor! Ein wahres Wunder, dieses Kind! Die Frucht eines Wunders …! Nach fünfundzwanzig Jahren kinderloser Ehe! Die Königin war zwei- oder dreimal schwanger. Aber jedes Mal wurden ihre Hoffnungen enttäuscht. Die Leute wusste schon gar nicht mehr, vor welchen Heiligen sie noch Kerzen anzünden sollten! Ich weiß noch, wie glücklich ich war, als ich mit fast
zehn Jahren den kleinen Dauphin im Arm halten durfte. Ich hätschelte ihn und nannte ihn ›mein kleiner König‹ und ›mein kleiner Gemahl‹. Davon war ich vom ersten Tag an überzeugt. Er war gesandt worden, um mein Gemahl zu werden. Welcher Prinz außer ihm wäre meines Ranges würdig gewesen? Und mit meinem Vermögen würde Seine Majestät nie wieder über Armut zu klagen brauchen.«
Die Prinzessin verstummte erneut und blieb, in ihre Erinnerungen versunken, stehen.
»Doch dann kam der Kardinal. Er hat mich scharf zurechtgewiesen und mir gesagt, ich solle mir ja nicht einbilden, dass dieser Dauphin für mich bestimmt sei. Ich spreche vom großen Kardinal, dem seines Vaters. Kardinal Richelieu. Wie grausam von ihm, mich kleines Mädchen daran zu hindern, dieses hübsche Kind zu herzen. Aber auf eine Grausamkeit mehr oder weniger kam es ihm nicht an! Dieser Monsieur de Richelieu war ein fürchterlicher Mensch! Er kannte nur einen Götzen: das Königreich. Als hätte mein Vermögen Frankreich, um dessen Finanzen es so schlecht bestellt war, nicht helfen können … Ich habe ihm die Stirn geboten, das könnt Ihr mir glauben! Aber das hat ihn nicht daran gehindert, mich aus Saint-Germain fortzuschicken.
Die Königin und Madame de Hautefort haben alles in ihrer Macht Stehende getan, damit ich bleiben durfte, aber sie konnten sich nicht durchsetzen. Sogar der König hat sein Bedauern darüber geäußert, dass ich gehen müsse.
Aber damit war ich den Kardinal noch nicht los. Er ließ mich einen Umweg über Rueil machen, wo er für gewöhnlich wohnte, wenn sich der König in Saint-Germain aufhielt. Er hatte es immer noch nicht verwunden, dass ich den Dauphin ›meinen kleinen Gemahl‹ genannt hatte, und schalt mich weiter aus.
Wer den Herzog von Richelieu nicht gekannt hat, kann nicht
nachvollziehen, wie Furcht einflößend er war. Er hatte grausame Augen. Schließlich brach ich in Tränen aus. Um mich zu trösten, ließ er mir etwas zu essen bringen. Aber nichts half. Als ich fortging, weinte ich immer noch. So zornig war ich.
Nach diesem Vorfall durfte ich nur noch alle zwei Monate zu Besuch an den Hof kommen, und Ihr wisst, was das bedeutet. In Saint-Germain gab es kein Bett für mich, und für eine einzige Übernachtung konnte ich nicht jedes Mal meine ganzen Möbel mitnehmen. Also blieb mir gerade genug Zeit, um mit der Königin zu Abend zu essen, ehe ich mich wieder auf den Weg nach Paris machen musste …
Warum war Monsieur de Richelieu bloß so unnachgiebig? Warum machte er so viel Aufhebens um das Alter, wenn es um die Verbindung zweier so angesehener Familien ging? Philipp II., der Großvater des gegenwärtigen spanischen Königs, hat ja schließlich auch Mary Tudor geheiratet, die Tochter von Heinrich VIII. von England. Sie war ebenfalls zehn Jahre älter als er und darüber hinaus noch seine Tante. Ich hingegen bin nur Ludwigs Cousine ersten Grades. Mein Vater war der Bruder seines Vaters. Gott weiß, die beiden waren einander ganz und gar nicht ähnlich. Der verstorbene König Ludwig XIII. war so mürrisch und höchst moralisch, während mein Vater...«
Mademoiselles Stimme brach.
»Ich sehe ihn noch vor mir, wie er in den
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