Angélique - Am Hof des Königs
Gestaden gewesen, wo man ihn beauftragt hatte, einen Ort herzurichten, an dem sich die Minister begegnen konnten. Und der Vertrag war ja auch schon im Herbst unterzeichnet worden! Aber es schien, als hätten solche Unterschriften in diplomatischen Angelegenheiten nicht allzu viel Bedeutung, solange eine Fülle weiterer Details nicht in beiderseitigem Einvernehmen geklärt wären. Aber jetzt war doch alles sicher, das bewiesen diese außerordentlichen Vorbereitungen.
Mademoiselle beschwor den Aposentador real, der für die gesamte logistische Vorbereitung zuständig war, ihre Sorge zu beschwichtigen. Sie ließ nicht locker. Der ganze Aufwand konnte doch nicht vergebens gewesen sein?
War er denn nicht ihrer Ansicht? Man konnte doch nicht den gesamten Adel eines Landes umsonst an die Ufer des Ozeans strömen lassen, nachdem er sich für die nächsten Jahre verschuldet hatte, um mit allem gebotenen Prunk die Hochzeit zu feiern, die den politischen Erfolg dieses Vertrages besiegeln würde: die Hochzeit zwischen den beiden jungen und schönen Erben der beiden größten Nationen der Erde?
Ihr Gegenüber hörte ehrerbietig zu und antwortete auf das Flehen der Grande Mademoiselle mit dem beharrlichen Schweigen eines Dieners, der sich, obwohl mit einem wichtigen Amt betraut, nicht zu den Eingeweihten zählte. Der Aposentador erwies sich als ein stattlicher, aber äußerst wortkarger Mann. Es war ihm anzumerken, dass er es gewohnt war, mit den Mächtigen umzugehen, und sich auf die Kunst verstand, sich ihren Launen zu widersetzen.
Aber Mademoiselles liebenswürdiger Art gelang es, ihn zu erweichen, und er gab zu, dass er vor zwei Monaten hierher zurückbeordert worden sei, um das Schloss von Fuenterrabía in den Stand zu versetzen, Seine Majestät den König von Spanien zu empfangen, und die Innenausstattung des Palasts auf der Fasaneninsel fertigzustellen, wo die beiden Herrscher einander gegenübertreten sollten.
Fast alle Wandbehänge hingen schon. Er lud Ihre Hoheit ein, hereinzukommen, um sie zu bewundern und zu interpretieren. Denn durch die Auswahl der Kunstwerke, die die beiden Nationen dazu ausersehen hatten, die großen Tage der Fasaneninsel zu schmücken, enthüllten sowohl Frankreich als auch Spanien fast schon arglos ihre Vorlieben, ihre Neigungen, ihre Leidenschaften und die Ideale, nach denen sie strebten.
So wurde man, wenn man über die Brücken in den spanischen Saal trat, von zwei herrlichen aus Seide, Wolle, Gold und Silber gewirkten Tapisserien empfangen, von denen die eine den »Sieg der Tugend über die Eitelkeit« und den »Abscheu vor der Sünde« zeigte und die andere die »Geschichte Noahs«.
Auf der gegenüberliegenden Seite, wo die Franzosen über ihre längere Brücke ankamen, hatten diese an der einen Wand zweiundzwanzig Bilder aus der Erzählung von Psyche und Amor, dem kleinen Gott der Liebe, aufgehängt und an der zweiten eine Darstellung der »Kriege des Scipio und Hannibal«.
Im ersten kleinen Raum, in den man auf spanischer Seite vom Eingangssaal aus gelangte, hing ein wunderschöner Bildteppich, auf dem die »Geschichte des heiligen Paulus« dargestellt war. Auf französischer Seite hingegen erblickte man in dem entsprechenden Raum eine Reihe von Wandteppichen in Gold und Silber mit einer Darstellung der »Geschichte des heiligen Johannes des Täufers«.
Im zweiten spanischen Raum folgte eine Allegorie der Dichtungen und Erzählungen über jene mehr oder minder von den Göttern geliebten Helden, deren Taten auch in diesen Tagen immer noch gerne besungen wurden: Ikarus, Achilles, Orpheus, Andromeda... Und im dritten Raum auf spanischer Seite hielt man unwillkürlich inne, wie geblendet von den fünf goldenen Tapisserien der berühmten wundervollen Reihe der »Sphären oder Globen«, die man aus Portugal hergeschafft hatte.
Die Franzosen gegenüber priesen die Freuden der Natur. In ihrem zweiten Raum illustrierten sieben aus Gold und Seide gewirkte Wandbehänge »Die Monate des Jahres«, und im dritten Raum erblickte man einen mit Gold und bunter Seide bestickten Wandbehang mit dem Titel »Sträucher und Blumen«, vor dem man ewig hätte stehen bleiben mögen, um die perfekte Ausführung zu betrachten.
Und auch im Saal der Begegnung, wo die Übergabe der Verträge
und die Ableistung der Friedensschwüre stattfinden würden, ein Raum, der beiden Kronen gemeinsam war, zeigte sich die gleiche Aufteilung in Farben, Wandteppichen und Schmuck. Vier Wandteppiche aus Gold, Silber und Seide
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