Angélique - Am Hof des Königs
den ernsten und folgenschweren Begegnungen, den politischen Verpflichtungen und den Zeremonien gewonnen, die in diesem mit so viel Geschmack und Sorgfalt eingerichteten Rahmen stattfinden sollten und die nicht bloß feierliche Momente, sondern ernsthafte Diplomatie bedeuteten. Wie bei solchen Veranstaltungen üblich, würden sich die Höflinge und sonstigen Beteiligten im Hintergrund darauf einstellen müssen, lange untätig abzuwarten, während die rituellen Eide und Unterschriften geleistet wurden, nachdem zuvor ausgedehnte offizielle Gespräche oder private Unterhaltungen zwischen den Mitgliedern einer königlichen Familie geführt worden waren, die einander begegneten, wiedersahen oder gar erst kennenlernten. So etwa König Ludwig XIV., der zum ersten Mal einer Gemahlin gegenübertreten sollte, die er würde lieben müssen.
Die Höflinge würden sich lange gedulden müssen, und die ausgiebige Betrachtung der herrlichen Wandteppiche würde ihnen dabei helfen, sich die Zeit zu vertreiben.
Das Einzige, was man bedauern könnte, war, dass die »Metamorphosen des Ovid« im Konferenzsalon aufgehängt worden waren, was die beiden Höfe um den Genuss brachte, sich die Wartezeit damit zu verkürzen, den Erläuterungen von M. de Méré über die erotische Symbolik dieser herrlichen Wandbehänge zu lauschen. Da sie auf französischer Seite hingen, wurden sie lediglich vom spanischen König und seiner Tochter, der Infantin, gesehen, die in einem solchen Moment jedoch kaum dazu aufgelegt sein würden, ihre verborgenen Reize zu erkunden.
Doch damit sie diese unvergesslichen Tage, die sich vor ihnen abzeichneten, überhaupt erleben konnten, mussten zunächst Seine Allerkatholischste Majestät Philipp IV. von Spanien und seine Tochter, die Infantin Maria Theresia, am Horizont auftauchen.
Während Saint-Jean-de-Luz immer näher kam, plauderten sie auch über den Aposentador, dessen Geschick bei der Ausschmückung der Räume sie alle beeindruckt hatte. M. de Bar, der zu der Gesandtschaft gehört hatte, die nach Madrid gereist war und um die Hand der Infantin angehalten hatte, erklärte, der Mann heiße Don Diego Velázquez und habe am spanischen Hof die herausgehobene Stellung eines königlichen Hofmalers inne. Der Ruf seines großen Talents war weit über die spanischen Grenzen hinaus an die europäischen Herrscherhöfe gedrungen, doch er weigerte sich, seine Werke zu verkaufen und für einen anderen Auftraggeber als den König zu arbeiten. Da er sehr stolz und sich seines Wertes durchaus bewusst war, hatte er um die Ehre der Aufnahme in den Santiago-Orden ersucht, einen der größten spanischen Ritterorden. Aber obwohl Philipp IV. ihm die Gewährung seiner Bitte zugesichert hatte,
hatten sich die Mitglieder des Ordenskapitels dem Wunsch des Königs widersetzt und sich geweigert, ihn aufzunehmen. Es gab Zweifel an der Reinheit seines Blutes, der »limpieza de sangre«, die in Spanien von eminenter Wichtigkeit war, denn nichts war schlimmer, als in dem Verdacht zu stehen, von Juden oder konvertierten Mauren abzustammen, lägen diese Wurzeln auch zwei oder drei Jahrhunderte zurück.
Vor allem aber betrachtete man Diego Velázquez als einen Handwerker, was jede Möglichkeit einer Erhebung in den Adelsstand von vornherein ausschloss. Und wie sehr er auch beteuern mochte, dass er sein Talent nur in den Dienst des Königs stellte, das Ordenskapitel des Santiago-Ordens wollte ihn nicht aufnehmen.
Während ihres Besuchs war Angélique aufgefallen, dass er oft hustete. Obwohl er sie beharrlich unterdrückte, wurde er immer wieder von heftigen Hustenanfällen geschüttelt. Offensichtlich waren ihm das neblige Winterwetter an der Flussmündung und die Seewinde in dieser Region nicht gut bekommen.
Sie dachte an ihren Bruder Gontran, der mit einer solch finsteren Verbissenheit danach strebte, Maler zu werden, dass er schon im Voraus alle Kränkungen akzeptierte, die mit dem Dasein eines mittellosen Handwerkers verbunden waren, der von seiner eigenen Hände Arbeit lebte.
Vor ihrem geistigen Auge zogen weitere Erinnerungen vorbei, die sicherlich von der plötzlichen Begegnung mit den Vertretern jener französischen Provinzen hervorgerufen worden waren, von denen sie seit ihrer Hochzeit abgeschnitten gewesen war. Zum Beispiel den Adligen aus der Île-de-France, dem Lehen der Könige, mit der Hauptstadt Paris, die wie ein Juwel auf ihr Herz geheftet war. Und dann die aus den Provinzen des Westens: ein wenig Normandie, Anjou, ihr
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