Angélique - Am Hof des Königs
mit Motiven aus der »Apokalypse« würden über den König von Spanien und seine Tochter wachen.
Auf französischer Seite entfalteten sich verschiedene Themen, darunter die »Metamorphosen des Ovid«.
Auf dem Boden wurde die Grenze zwischen Frankreich und Spanien durch die Ränder prunkvoller Perserteppiche auf spanischer und türkischer Teppiche auf französischer Seite angezeigt. Die französischen Teppiche wiesen großflächige dunkelrote Motive auf, die durch goldene Streifen voneinander getrennt waren, welche eine Art Fliesenmuster auf den Boden zeichneten.
M. de Méré war ein Gelehrter, und so machte er sich daran, seine Freunde über den lateinischen Dichter Ovid aufzuklären, einen Freund Vergils, der sich auf die Kunst verstanden hatte, hinter scheinbar unschuldigen Bildern subtile erotische Anspielungen zu verbergen. Seine Erläuterungen, denen alle mit größtem Interesse lauschten, wurden durch Arbeiter unterbrochen, die zwei Tische hereintrugen. Diese wurden zu beiden Seiten der durch die Teppichränder gebildeten Grenzlinie einander gegenüber aufgestellt. Sie vervollständigten ein recht nüchternes Mobiliar aus Lehnstühlen, Schemeln und bestickten viereckigen Kissen. Auf die Tische wurden schließlich die beiden Schreibkästen mit den goldenen Beschlägen und Schlössern gesetzt, die Mademoiselle am Vortag bereits bewundert hatte.
Wieder zurück am Ende ihrer verglasten Galerie, überhäuften sie den Aposentador des spanischen Königs ein letztes Mal mit Glückwünschen und Dank. Man könne gar nicht genug Bewunderung äußern angesichts der Sorgfalt und des sicheren
Geschmacks, mit denen die Räume ausgestattet worden seien. Das Ergebnis würde die Herrscher und ihr Gefolge unweigerlich zufriedenstellen.
Prächtige, nuancenreiche Farben wärmten den Blick, und die luxuriösen Materialien, die verwendet worden waren, würden keine Sorgen über die finanzielle Gesundheit der beiden Staaten aufkommen lassen. Die vielfältigen Motive kündeten mit Eleganz vom jeweiligen Geist der Völker. Kein Saal, Raum oder Salon wiederholte eines der Themen, das bereits in einem der anderen gewählt worden war. Außer – und Angélique war gewiss die Einzige, der dies aufgefallen war – in den kleinen Kabinetten an den beiden Ecken des Salons der Begegnung, in die man gelangte, nachdem man einen schmalen, auf spanischer Seite mit Darstellungen aus der Erzählung von »Romulus und Remus« und auf französischer Seite mit einer Abfolge »Illustrer Matronen« ausgeschmückten Flur hinter sich gebracht hatte. Dorthin würden sich die Minister mit ihren Schreibern zurückziehen, um die unzähligen Schriftstücke der Akte zusammenzustellen und zu ordnen, die noch einmal vollständig gelesen und vorbereitet werden musste, und dort würden sie sich schließlich zu gegebener Zeit allein mit ihrem jeweiligen Herrscher einfinden, sodass dieser fernab aller neugierigen Blicke seine erhabene Unterschrift leisen könnte.
In diesen verschwiegenen Räumen, in denen sich alles entscheiden würde, zeigten die Bildteppiche das gleiche, wenn auch von unterschiedlichen Künstlern ausgeführte Motiv, nämlich die verschiedenen Stationen der »Passion unseres Herrn Jesus Christus«.
Die gleiche feinfühlige, geistreiche Aufmerksamkeit schien der Ansicht gewesen zu sein, dass kein profanes oder sonstiges Thema in diesem entscheidenden Moment die Vertreter der beiden Nationen ablenken dürfe, die so lange verfeindet gewesen waren und sich an diesem Tag unter dem Zeichen des Kreuzes,
dem Symbol ihres gemeinsamen katholischen Glaubens, miteinander versöhnten.
Unter den ersten Bäumen fraßen vier riesige, von ebenso kräftig gebauten Fuhrleuten beaufsichtigte Pferde ihre Haferration.
Schon vor Monaten hatten sich Fuhrwerke von den verschiedenen Manufakturen aus auf den Weg gemacht, um die Vorhänge und Tapisserien, jene schweren Rollen aus mit Gold- und Silberfäden durchwirkten Seiden- und Wollstoffen, hierherzubringen. Gezogen wurden sie von Boulonnais-Pferden, die auch jeden Tag die frisch gefangenen Fische und Meeresfrüchte von der Küste in die Pariser Fischhalle brachten.
Warum Boulonnais? Warum nicht unsere Poitevins, fragte sich Angélique im Stillen.
Auf der Rückfahrt nach Saint-Jean-de-Luz bedankte sich die kleine Gesellschaft, die das Privileg genossen hatte, die Vorbereitungen auf der Fasaneninsel besichtigen zu dürfen, überschwänglich bei Mlle. de Montpensier.
Sie hatten einen unverhofften Eindruck von
Weitere Kostenlose Bücher