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Angélique - Am Hof des Königs

Angélique - Am Hof des Königs

Titel: Angélique - Am Hof des Königs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Golon
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sie das Geschick verblüfft, mit dem diese junge Frau es verstanden hatte, von allen bemerkt zu werden und den gesamten Hof zu beeindrucken.
    Jedenfalls musste man zugeben, dass es ein großartiger Einfall gewesen war, mitten in einer Vorführung des spanischen Theaters ohnmächtig zu werden, in das der gesamte Hof strömte wie in die Kirche, um der Königinmutter zu gefallen! Anna von Österreich war besorgt und hatte sich nach ihr erkundigt. Und Mademoiselle, die wie üblich am besten informiert war, hatte voller Wärme von dieser bis dahin unbekannten Frau gesprochen, die sich nicht damit begnügt hatte, »in ihrem goldenen Kleid« einen geradezu überwältigenden Anblick zu bieten, sondern sie später auch ohne irgendwelche Umstände auf ihrem Spaziergang begleitet hatte. Aber alle wussten, dass die Prinzessin recht naiv war, und vielleicht war sie einfach nicht gegen ein neues Gesicht gewappnet, das in vollendeter Schönheit und Jugend aus diesen fernen Regionen des Südens aufgetaucht war, die als so gefährlich galten. Dieser Brutstätte der Ketzerei mit ihren uneinnehmbaren Festungen, der man vor vier Jahrhunderten das Herz herausgerissen hatte – denn noch immer bluteten die Herzen der Einheimischen, wenn sie an das Ende von Montségur dachten. Die Unterhaltung wandte sich der grausamen und ungerechten Geschichte der südlichen Ketzerei zu, die das Königreich immer noch in zwei Teile spaltete.
    Viele der Plaudernden erinnerten sich nicht einmal mehr
daran, um welche Art von Ketzerei es sich überhaupt gehandelt hatte, man wusste nur, dass die blutigen Religionskriege zwischen Katholiken und Protestanten die Erinnerung daran nicht ausgelöscht, sondern sie im Gegenteil wieder neu angefacht hatten. Und so schillerte das außergewöhnliche Auftauchen dieser fremden Frau am Hof in zwei verschiedenen Facetten: vergangene und gegenwärtige Ketzerei und gleichermaßen greifbare wie geheimnisvolle Schönheit.
    Und die erfahrensten Vertreter jener alten Kunst mit dem Namen »Wie schaffe ich es, von meinem ersten Auftreten bei Hof an den höchsten Kreisen, wenn möglich gar dem König selbst, aufzufallen und alle zu bezaubern?« mussten zugeben, dass sie vom ersten Augenblick an dem Bann dieser Fee aus dem Süden erlegen waren.
    Während sie ihre gebackenen Leckereien verspeisten, an ihrem Likör, ihrer Limonade oder ihrem Fruchtsaft nippten und Dragees, Nüsse und frisches rohes Gemüse knabberten – auf einen üppigeren Mitternachtsimbiss hatte man keinen Appetit -, rätselten sie über die raffinierten Kunstgriffe, deren Opfer sie geworden waren.
    War es ihr Blick? Ihr Lächeln? Die Art, wie sie die Lippen ein wenig öffnete, wenn sie einem zuhörte? Oder wie sie sich, als Krönung des Erfolgs, in ihrem goldenen Kleid voller Anmut aus einem tiefen Hofknicks erhoben hatte …?
    Lag es daran, dass sie an der Seite eines mächtigen Mannes erschienen war, den kaum jemand kannte bis auf seinen Ruf und die widersprüchlichen, umstrittenen Geschichten, die über ihn in Umlauf waren? Der Große Hinkefuß aus dem Languedoc.
    Doch das war es nicht allein.
    Sie konnten nicht umhin, die Verführungskraft dieses neuen Sterns anzuerkennen, der am Himmel des französischen Hofes aufging, und sie wussten, dass sie sich eine genauere Meinung
über sie bilden mussten, um zu entscheiden, welchen Empfang man ihr bereiten sollte.
    Die Männer – nun ja, die Männer …! – hielten sie für eine junge Frau, die eine ausgezeichnete Erziehung genossen hatte und sich darauf verstand, deren Lehren in einer Situation anzuwenden, die von allen einen gewissen Mut erforderte: der zeremoniellen Einführung beim König. Die ehrgeizigen Träume und raffinierten Finten kämen erst später. Ihrer Meinung nach war sie einfach nur eine ungemein geistreiche, fröhliche junge Frau, die die Prüfung mit Bravour bestanden hatte. Und die noch schöner werden würde, wenn sie erst genügend Erfahrungen gesammelt hätte und sich ihrer Macht bewusst geworden wäre.
    Doch nicht alle schlossen sich diesem Urteil an. Manche beharrten darauf, dass ihr vollendeter Auftritt unter solch schwierigen Umständen kein Zufall oder das Ergebnis ihrer Arglosigkeit sein konnte. Andere jedoch vertraten genau die entgegengesetzte Ansicht, zufrieden darüber, das Problem den Regeln der Philosophie und der pädagogischen Kenntnisse entsprechend gelöst zu haben: Die verführerische Gräfin de Peyrac handelte mit dem Instinkt der Jugend, ohne sich über alles Weitere

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