Angélique - Am Hof des Königs
Arme um ihre Taille und wirbelte sie lachend herum.
»Meine kleine Fee! Meine kleine Hexe! Ich bete Euch an, wenn Ihr mir eine Strafpredigt haltet!«
Er musterte sie mit jenem neugierigen, belustigten, aber gleichzeitig von tiefer Liebe erfüllten Blick, mit dem er sie hin und wieder betrachtete.
»Ihr werdet nie aufhören, mich zu überraschen und zu begeistern. Dann habt Ihr Euch also nicht vom glitzernden Flitter des Hofes blenden lassen, sondern erkennt die Dolche, die sich dahinter verbergen! Und was Ihr in Wahrheit sagen wollt, ist: ›Seid vorsichtig...!‹«
Angélique hatte recht. Diese Zusammenkunft würde für viele eine Gelegenheit sein, einander besser kennenzulernen, aber auch, sich gegenseitig zu belauern und den Ruf der anderen auf seinen Wahrheitsgehalt hin zu überprüfen. Joffrey erklärte ihr, dass für ihn offenbar alles zum Besten stand. Am Vortag sei er nach Siboure gerufen worden, wo der Kardinal abgestiegen war, und nachdem er lange mit ihm geplaudert habe, habe dieser ihn gebeten, zum Schloss zu reiten, wo sich einige der angesehensten Namen der Guyenne versammelt hätten, um ihnen die Einladung zur Hochzeit des Königs zu überbringen. Bisher seien sie nicht zu den Feierlichkeiten eingeladen worden, da der Erste Minister Zweifel an ihrer Treue hegte. Heute sollte er wieder dorthin zurückkehren, und zweifellos würde er auch an diesem Abend wieder nicht bei ihr sein können.
Genau wie Joffrey mit Kardinal Mazarin erging es Angélique mit Mlle. de Montpensier: Nachdem sie die Freundschaft eines der höchsten Mitglieder der königlichen Familie gewonnen hatte, ahnte sie, dass es ihr schwerfallen würde, abzulehnen, falls die Prinzessin sie ein weiteres Mal einladen sollte, sie zu begleiten.
Mademoiselle flehte beinahe von ihrem Balkon herüber.
»Lasst mich nicht im Stich!«
Da sie – man hätte es ahnen können – die ganze Nacht in Gesellschaft von Anna von Österreich hatte verbringen müssen, hatte die Prinzessin seit dem vergangenen Abend kein Auge zugetan. Nun war sie zumindest kurz ins Nachbarhaus zurückgekehrt, um »sich ein wenig frisch zu machen«. Alle erwarteten voller Spannung und Sorge die Ankunft des spanischen Königs.
Mademoiselle musste an der Seite der Königin bleiben, um sie zu beruhigen. Und sie erwartete Angélique in Kürze. Sie würde ihr wieder ihre Sänfte schicken.
Im Licht des Tages versuchte Angélique, die Schatten und Schleier ihrer Erinnerung zu vertreiben und herauszufinden, was am vergangenen Abend im dunklen Theater geschehen war. Sie verspürte immer noch einen Rest von Angst, doch sie hätte nicht einmal sagen können, was genau ihr diese Furcht eigentlich eingeflößt hatte. Und diese lächerliche Ohnmacht hatte doch außer dem Grafen de Guiche bestimmt niemand bemerkt.
Doch da täuschte sie sich.
Ihr Schwächeanfall war trotz der Dunkelheit aufgefallen. Er hatte Neugier, Überraschung und Erschrecken hervorgerufen und das Gefühl einer Tragödie von der Bühne auf den Zuschauerraum übergreifen lassen. Und da es immer noch sehr dunkel war, reagierte man unterschiedlich auf den Vorfall, von der besorgten Königin Anna bis hin zum niedrigsten Pagen, der sich rühmte, die Ohnmächtige getragen zu haben.
Eine ganze Gruppe versammelte sich nach der Aufführung vor dem Theater. Da sie keine Lust hatten, sich in die engen Käfige ihrer Zimmer zurückzuziehen, beschlossen sie kurzerhand, ihren Mitternachtsimbiss im Freien einzunehmen. Und dabei plauderten die adligen Damen und Herren des Hofes, die sich in diesem abgelegenen Winkel des Königreichs nicht gerade mit sensationellen Überraschungen verwöhnt wähnten, über die erstaunliche Erscheinung, die ihrem doch recht begrenzten Kreis an diesem Tag durch die Vorstellung der Gräfin de Peyrac zuteilgeworden war. Bis hin zum König waren sie alle ihrem Zauber erlegen, und in der dunklen Nacht, die ihnen ein paar ruhige Stunden bescherte, verspürten sie den Drang, sich gegenseitig zu befragen. Was hielten die Damen von einer so makellosen und unerwarteten Schönheit?
Doch zunächst der Imbiss.
M. de Méré fachte die Glut unter dem Vordach einer im Freien aufgebauten Küche neu an und ließ verschiedene kleine Pasteten goldbraun backen. Wasser zog man aus einem Brunnen herauf. Der Likörverkäufer kam heran und schenkte seine grünen und gelben Getränke aus. Sie saßen alle zusammen am Rand einer Wiese, über die eine sanfte Brise strich, und wunderten sich. Den ganzen Tag über schon hatte
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