Angélique - Am Hof des Königs
Marguerite. Es wäre nicht das erste und sicher auch nicht das letzte Mal, dass man den Anweisungen von Mademoiselle zuwiderhandelte! Oder sie einfach anders auslegte! Denn auch das gehörte zu den Künsten der Dienerschaft, immer mehr über die Absichten ihrer fürstlichen Herren zu wissen als diese selbst.
Angélique befahl ihr zu schweigen. Sie erinnere sie an ihre Amme.
Doch Marguerite behielt recht, als kurz darauf der Graf de Peyrac nach Hause kam, während Angélique immer noch mit ihrer Kammerfrau plauderte. Plötzlich war alle Enttäuschung verflogen. Kein Ball zählte, wenn sie stattdessen ihn für sich allein haben konnte. Sie fiel ihm um den Hals.
Mit einer angedeuteten Verbeugung verließ Marguerite den Raum.
Das Paar zog sich in sein Zimmer unter dem Dach zurück, wo die nächtliche Brise ein wenig Kühlung brachte und hin und wieder sogar das leise Rauschen des Meeres heranwehte.
Joffrey machte keinen Hehl daraus, dass es das Wissen um den königlichen Ball in Saint-Jean-de-Luz gewesen war, das ihn dazu bewogen hatte, sich von seinen weit entfernt lebenden
Gastgebern zu verabschieden, die er im Dienst des Kardinals aufgesucht hatte. Er hatte sogar mit dem Gedanken gespielt, in wildem Galopp beim spanischen Theater vorzupreschen und die Gräfin de Peyrac persönlich um einen Tanz zu bitten. Mit diesem Auftritt hätte er jenen aufsehenerregenden Vorfall geliefert, dessen sich jedes gelungene Fest rühmt, solange er sich nicht zu einem handfesten Skandal ausweitet. Außerdem tanzte auch er gerne! Und Angélique wusste, dass gewisse Tänze ihm nicht mehr Schwierigkeiten bereiteten als die akrobatischen Wendungen eines hitzigen Duells.
»Ihr seid ja eifersüchtig«, warf sie ihm erneut voller Freude vor. »Gehört Ihr etwa zu den Männern, die davon träumen, ihre Ehefrau einzusperren, damit niemand sie mehr zu Gesicht bekommt?«
»Wer weiß?«, antwortete er mit wildem Blick. »Wenn sie die Schönste von allen ist? Die Hinreißendste? Die Anbetungswürdigste? Ja, vielleicht...«
Sie neckten einander fröhlich.
Dann fielen sie sich in die Arme und verloren sich ineinander.
Sie liebten sich.
Und in ihrem Glück verstanden sie es, diese geschenkten Augenblicke zu genießen, in denen sie sich ganz allein auf der Welt wähnten.
Kapitel 11
D ie Chronik schildert, dass der gesamte Ball auf dem erhöhten Bereich abgehalten wurde, der dem spanischen Theater als Bühne diente.
Die Königinmutter und die Damen und Herren, die nicht zu tanzen wünschten, betraten den Saal durch die große Eingangstür und nahmen auf einem Podest in der Mitte Platz.
Eine Viertelstunde später kamen der König und sein restlicher Hof durch eine Hintertür herein und gelangten so direkt auf die Bühne. Die Musiker waren ringsum entlang der Wände aufgereiht.
Der Chronist zählt freudig die Namen all der Tänzer auf, die voller Schwung und Ungestüm in den kunstvollen Figuren und Wendungen der Tänze den Ernst jener Zeremonien vergaßen, denen sie – natürlich ohne eingeladen zu sein! – auf der anderen Seite der Grenze in Fuenterrabía beigewohnt hatten.
Man hatte bemerkt, dass die Spanier sich nicht am allgemeinen Freudentaumel der fürstlichen Hochzeit beteiligten, sondern vielmehr von tiefer Traurigkeit erfüllt zu sein schienen, und das lag nicht allein daran, dass sie ihre Infantin verloren.
Und obwohl es tatsächlich befremdlich erscheinen mochte, dass der König von Frankreich zur Feier seiner Hochzeit mit einer Gemahlin, die er noch nicht einmal gesehen hatte, einen Ball veranstaltete, zeigten die Franzosen offen ihre Freude. Sie hatten sich um den jungen König, ihren Gefährten in Schlachten
wie in Festen, versammelt und schenkten ihm und sich selbst diesen Ball im Gedenken an die zurückliegenden Jahre, in denen sich Lustbarkeiten und Krieg unaufhörlich abgewechselt hatten, in denen sie in der Präzision und der rhythmischen, gemessenen Anmut der Ballette und Tänze den Rausch der Jugend gekostet hatten, an der Schwelle der großen Taten des Lebens, die sie alle an seiner Seite erwarteten.
Zu den Tänzern gehörten der König, Monsieur, Mademoiselle, Mlle. Chemeraut, M. d’Armagnac, die Prinzessin von Baden, der Herzog von Créqui, die Herzogin von Valentinois und zweifellos auch Prinzessin Henriette von England. Der Chronist vermerkt, dass »Mademoiselle, die ohnehin sehr viel Anmut verstrahlt in allem, was sie tut, beim Tanzen noch mehr Grazie besitzt. Sie ist noch schöner, wenn sie sich schmückt.
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