Angélique - Am Hof des Königs
Angélique im Halbschlaf ab.
»O Joffrey, ich bin so müde!«
Obwohl er ihre mangelnde Leidenschaft bedauerte, denn in ihrer entspannten Schläfrigkeit erschien sie ihm unwiderstehlicher denn je, beharrte er nicht länger darauf. Durch die halb geschlossenen Lider warf sie ihm einen Blick zu, um zu sehen, ob er enttäuscht war, weil sie nicht die gleiche eiserne Ausdauer bewies wie die Damen in ihrer Umgebung. Auf einen Ellbogen gestützt, schaute er sie mit einem sanften Lächeln an.
»Schlaf, mein Herz«, sagte er leise.
Kapitel 14
9. Juni
A ls sie wieder aufwachte, hätte sie meinen können, er habe sich die ganze Nacht hindurch nicht bewegt, denn er betrachtete sie immer noch. Sie lächelte ihn an. Es war kühl. Die Nacht war noch nicht vorüber, aber der Himmel nahm allmählich jene grünliche Färbung an, die dem strahlenden Morgenrot vorausging. Eine vorübergehende Benommenheit hatte nach all den Festen und der Fröhlichkeit von der kleinen Stadt Besitz ergriffen. Noch halb verschlafen reckte sich Angélique ihm entgegen, und sie umarmten einander.
Er hatte sie die ausgedehnte Lust gelehrt, den kunstvollen Kampf mit seinen Finten, seinen Rückzügen, seinen wagemutigen Ausfällen, das geduldige Werk, in dem zwei großzügige Körper einander gegenseitig dem Gipfel der Leidenschaft entgegenführten. Als sie schließlich erschöpft und gesättigt voneinander abließen, stand die Sonne bereits hoch am Himmel.
Die strahlende, kühne Sonne der baskischen Küste würde über der Hochzeit des Königs lachen.
Vor ihnen lag ein unvergesslicher Tag.
»Man sollte nicht glauben, dass wir einen anstrengenden Tag vor uns haben«, sagte Angélique und lachte.
Marguerite klopfte an die Tür.
»Madame! Madame, es wird Zeit. Die Kutschen fahren schon zur Kathedrale, und Ihr werdet bald keinen Platz mehr finden, um den Aufzug zu sehen.«
Ohrenbetäubender Trompetenschall erfüllte den blauen Himmel über der Stadt, über der ganzen Region und bis ans Ufer des Ozeans.
Es gab dreizehn königliche Trompeter, vier der Königlichen Kammer, drei der Chevaulegers, drei der Leibgarde und noch drei weitere.
Die Musiker trugen alle ein mit goldenen Tressen besetztes Wams aus blauem Samt.
In ihrem grünen, mit silberner Spitze überzogenen Brokatkleid drehte sich Angélique wieder und wieder vor dem Spiegel. Sie hatte befürchtet, sie hätte all ihre Kleider bereits zu den zahllosen Anlässen der vergangenen Tage getragen und es wäre ihr kein neues mehr für den Hochzeitstag geblieben.
Sie sah, dass Joffrey sie glücklich musterte.
Sie wird die Schönste sein, dachte er bei sich. Wie immer!
Ihre Anmut und Vollkommenheit erfüllte ihn mit glühender Verehrung, aber auch ein wenig Sorge. Der gleichen Sorge, die ihn an dem Abend, als er erfahren hatte, dass der König zur Feier seiner Hochzeit einen Ball veranstaltete, dazu getrieben hatte, auf sein Pferd zu steigen und nach Saint-Jean-de-Luz zurückzugaloppieren. Er hatte geahnt, dass Angélique die Schönste sein würde …
Aber heute war der 9. Juni. Und an diesem Tag zählte nur eines.
An diesem Tag wurde die Hochzeit des Königs gefeiert, zu der sie alle eingeladen waren, wegen der sich alle hier versammelt hatten, für die sich viele in den Ruin gestürzt hatten und die während der aufregenden Tage auf der Fasaneninsel beinahe in Vergessenheit geraten wäre.
Das Geleit war klein.
Sechs Persönlichkeiten schritten zu Fuß über die mit Teppichen bedeckte Straße.
Vorneweg ging Armand de Bourbon, der Prinz von Conti, strahlend und feurig, einen Hauch provozierend. Er hatte es schon immer verstanden, unter sorgsam ausgewählter, gut sitzender Kleidung seinen Buckel zu verbergen. Der Bruder des großen Condé, des Rebellen der Fronde, dessen Fehler er geteilt hatte, war inzwischen der Gouverneur der Guyenne, und dass er an diesem Tag vor dem König schritt, zeugte von dem Willen beider Seiten, diese traurigen Erinnerungen endlich zu vergessen.
Dahinter kam Kardinal Mazarin in einer Flut von Purpur.
In einigem Abstand folgte ihm der König in einem Gewand aus Goldbrokat, dessen Glanz von reicher schwarzer Spitze gedämpft wurde, eingerahmt vom Marquis d’Humières und dem Marquis de Péguilin, den Hauptleuten der beiden Kompanien der Gentilshommes en bec-de-corbin. Beide hielten als Zeichen ihres Ranges einen blauen Stab in der Hand.
Danach kam die Infantin, die neue Königin, zur Rechten geleitet von Monsieur, dem Bruder des Königs, und zur Linken von
Weitere Kostenlose Bücher