Angélique - Am Hof des Königs
ihr auf die Finger getreten war. Auf Péguilins Frage hin schüttelte sie jedoch den Kopf.
»Nein, er ist nicht hier. Ich habe einen meiner Herren losgeschickt, um ihn zu suchen, aber er konnte ihn nirgendwo finden.«
»Dabei ist sein Mohr Kouassi-Ba eine auffällige Erscheinung.«
»Auch den Mohren hat niemand gesehen.«
In der Taverne zum Goldenen Wal erhob sich Bernard d’Andijos schwerfällig von dem Tisch, an dem die Zierde des Adels der
Gascogne und des Languedoc versammelt war. Nein, niemand hatte M. de Peyrac gesehen. Dabei hatten sie weiß Gott überall nach ihm gesucht, nach ihm gerufen und Steinchen an die Fenster seines Hauses in der Rue de la Rivière geworfen. Sie hatten sogar ein paar Scheiben bei Mademoiselle zerbrochen. Aber von Peyrac war keine Spur zu finden.
Lauzun griff sich ans Kinn und dachte nach.
»Lasst uns Guiche suchen. Der Kleine Monsieur hat Eurem Gemahl schmachtende Blicke zugeworfen. Vielleicht hat er ihn ja zu einem pikanten Stelldichein bei seinem Favoriten mitgenommen.«
Angélique folgte Lauzun durch die verstopften, von Fackeln und bunten Laternen erleuchteten Gässchen. Sie betraten Häuser, fragten, kamen unverrichteter Dinge wieder heraus. Die Menschen saßen zu Tisch, umweht vom Duft der Speisen, dem Rauch Tausender von Kerzen und den Ausdünstungen ihrer Bediensteten, die sich den ganzen Tag über an den Weinfontänen gütlich getan hatten. An den Kreuzungen wurde zum Klang von Tamburinen und Kastagnetten getanzt. Im Halbdunkel der Höfe wieherten die Pferde.
Der Graf de Peyrac war verschwunden.
Unvermittelt packte Angélique Péguilin beim Arm und riss ihn zu sich herum.
»Jetzt reicht es, Péguilin, redet endlich. Warum seid Ihr so besorgt um meinen Gemahl? Wisst Ihr etwas?«
Er seufzte und hob diskret seine Perücke, um sich die Stirn abzuwischen.
»Ich weiß nichts. Ein Edelmann aus dem Gefolge des Königs weiß nie etwas. Das könnte ihn teuer zu stehen kommen. Aber ich vermute schon seit einer ganzen Weile, dass ein Komplott gegen ihn geschmiedet wird.«
Dann flüsterte er ihr ins Ohr: »Ich fürchte, man hat versucht, ihn zu verhaften.«
»Ihn zu verhaften?«, wiederholte Angélique. »Aus welchem Grund denn?«
Er zuckte die Schultern.
»Ihr seid verrückt«, sprach Angélique weiter. »Wer könnte den Befehl geben, ihn zu verhaften?«
»Der König natürlich.«
»Der König hat an einem solchen Tag anderes zu tun, als Leute verhaften zu lassen. Was Ihr da redet, hat weder Hand noch Fuß.«
»Ich hoffe es. Ich habe ihm gestern Abend eine Nachricht überbringen lassen, in der ich ihn gewarnt habe. Er hätte noch genügend Zeit gehabt, auf sein Pferd zu springen. Seid Ihr sicher, dass er die Nacht bei Euch verbracht hat, Madame?«
»O ja, ganz sicher«, entgegnete sie und errötete leicht.
»Dann hat er also nicht verstanden. Er hat wieder gespielt und mit dem Schicksal jongliert.«
»Péguilin, Ihr macht mich wahnsinnig!«, rief Angélique und schüttelte ihn. »Ich glaube, Ihr treibt gerade einen abscheulichen Scherz mit mir.«
»Psst!«
Mit der Geste eines Mannes, der es gewohnt war, mit Frauen umzugehen, zog er sie an sich und drückte ihre Wange an die seine, um sie zu beruhigen.
»Ich bin ein ziemlich böser Junge, meine Schöne, aber Euer kleines Herz zu quälen ist etwas, was ich niemals über mich bringen würde. Und außerdem gibt es nach dem König keinen Mann, den ich mehr liebe als den Grafen de Peyrac. Aber wir sollten ruhig Blut bewahren, meine Liebe. Vielleicht ist er ja noch rechtzeitig geflohen.«
»Also wirklich...«, protestierte Angélique lautstark.
Mit einer herrischen Geste schnitt er ihr das Wort ab.
»Also wirklich«, setzte sie leiser wieder an. »Warum sollte der König ihn denn verhaften lassen? Seine Majestät hat gestern
Abend noch äußerst huldvoll mit ihm gesprochen, und ich selbst habe versehentlich mit angehört, wie der König keinen Hehl aus seiner Sympathie für ihn machte.«
»Ach je, Sympathie! Staatsräson, Einflüsterungen... Es steht uns armen Höflingen nicht zu, die Gefühle des Königs zu bewerten. Vergesst nicht, dass er von Mazarin erzogen wurde und dieser über ihn gesagt hat: ›Er wird sich spät auf den Weg machen, aber dann wird er weiter gehen als alle anderen.‹«
»Glaubt Ihr nicht, dass eine Intrige des Erzbischofs von Toulouse hinter dem Ganzen stecken könnte?«
»Ich weiß nichts... Ich weiß nichts«, wiederholte Péguilin.
Wie betäubt blieb Angélique reglos
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