Angelique Der Gefangene von Notre Dame
Frau um, die er schon sein ganzes Leben lang geliebt hatte und die das Schicksal ihm nun endlich zurückgab.
Kapitel 25
E rnahm sie wieder in die Arme und trug sie die Turmtreppe hinauf. Er ging langsam, um nicht zu schwanken, denn er spürte die Auswirkungen des Weins. Und diese Langsamkeit verlieh seinem Aufstieg etwas Feierliches.
Angélique schmiegte sich in seine starken Arme. Ihr Kopf drehte sich fast so wie die steinerne Wendeltreppe.
Oben angekommen, öffnete Nicolas Calembredaine mit einem FuÃtritt die Tür zum Zimmer mit dem Diebesgut. Dann ging er zu dem Mantellager hinüber und lieà Angélique wie ein Paket darauf fallen.
»Und jetzt zu uns beiden!«, rief er.
Diese Geste und sein breites, triumphierendes Lachen, das Angélique im Halbdunkel leuchten sah, rissen sie aus der gleichgültigen Benommenheit, in der sie versunken war, seit sie die letzte Schenke verlassen hatten. Das Erbrechen hatte sie wieder nüchtern werden lassen, und so zuckte sie zusammen, sprang auf und rannte ans Fenster, wo sie sich an die Gitterstäbe klammerte, ohne zu wissen, warum.
»Was denn?«, schrie sie zornig. »Was soll dieses blöde âºJetzt zu uns beidenâ¹, du Schwachkopf?«
»Ich... aber... ich wollte sagen...«, stammelte Nicolas hilflos.
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Sie lachte verächtlich.
»Glaubst du im Ernst, du würdest mein Geliebter werden? Du, Nicolas Merlot?«
Mit zwei lautlosen Schritten war er bei ihr. Eine tiefe Furche zog sich über seine Stirn.
»Das glaube ich nicht«, versetzte er kalt, »das weià ich.«
»Das werden wir ja sehen.«
»Das haben wir schon gesehen.«
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Sie schaute ihn trotzig an. Der rote Schein eines Feuers, das die Flussschiffer am Ufer unterhalb des Turms angezündet hatten, fiel auf sie. Nicolas atmete tief ein.
»Hör zu«, sagte er mit leiser, drohender Stimme, »ich erkläre es dir jetzt. Weil du es bist, und weil ich will, dass du es verstehst. Du hast nicht das Recht, mir zu verweigern, was ich verlange. Ich habe um dich gekämpft. Ich habe den Kerl um die Ecke gebracht, den du umbringen wolltest. Der GroÃe Coesre hat dich mir zugesprochen. Alles entspricht den Gesetzen der Gaunerzunft. Du gehörst mir.«
»Und wenn ich mit den Gesetzen der Gaunerzunft nichts zu schaffen haben will?«
»Dann wirst du sterben«, erwiderte er mit einem Funkeln in den Augen. »Vor Hunger oder sonst was. Aber du kommst nicht mit heiler Haut davon, das brauchst du dir gar nicht einzubilden. AuÃerdem hast du gar keine andere Wahl mehr. Verstehst du das denn nicht?«, drängte er und berührte die Schläfe der jungen Frau mit seiner Faust. »Kriegst du das nicht in deinen blöden kleinen Gräfinnenschädel? Zusammen mit deinem Mann ist auf der Place de Grève auch alles verbrannt, was dich vorher von mir getrennt hat. Lakai und Gräfin, das ist vorbei! Ich bin Calembredaine und du... du bist gar nichts mehr. Deine Leute haben dich verstoÃen. Die von da hinten...«
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Er streckte den Arm aus und deutete auf das gegenüberliegende Ufer der dunklen Seine, auf die Umrisse der Tuilerien und die Galerie des Louvre, wo vereinzelte Lichter flackerten.
»Für die da hinten existierst du nicht mehr. Darum bist du bei den Gaunern gelandet... Hier leben diejenigen, die von ihren Leuten verstoÃen wurden... Hier gibt es immer etwas zu essen. Wir werden dich verteidigen. Wir werden dich rächen. Wir werden dir helfen. Aber du darfst uns niemals verraten...«
Er verstummte mit einem leisen Keuchen. Sie spürte seinen heiÃen Atem. Er berührte sie sacht, und sein glühendes Verlangen entzündete auch in ihr ein verstörendes Fieber. Sie sah, wie er seine groÃen Hände öffnete, sie hob und dann zurückwich, als wagte er es nicht â¦
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SchlieÃlich begann er sie ganz leise in ihrem heimatlichen Dialekt anzuflehen: »Sei doch nicht so gemein, Angélique. Warum bist du böse auf mich? Es ist doch so einfach. Wir sind beide hier... allein... so wie früher. Wir haben gut gegessen, viel getrunken. Was sollen wir denn sonst noch machen, auÃer uns zu lieben? Du willst mir doch nicht einreden, dass du Angst vor mir hast?«
Angélique lachte leise und zuckte mit den Schultern.
»Komm schon...«, drängte er. »Erinnere dich. Wenn du in Monteloup geblieben wärst, wären wir so glücklich geworden. Wir beide
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