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Angelique Der Gefangene von Notre Dame

Titel: Angelique Der Gefangene von Notre Dame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Golon Anne
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Feuer saß, nahm einen von ihnen entgegen. Sein ganzes Gesicht war mit eitrigen Pusteln bedeckt. Mit flinker Hand riss sie die Krusten aus dem Gesicht des Neugeborenen, wischte mit einem Lappen über das kleine Frätzchen, das wieder glatt und rosig wurde, und legte das Kind dann an ihre Brust.
    Cul-de-Bois lächelte.

    Â»Du siehst, hier wird man schnell wieder gesund«, erklärte er mit seiner rauen Stimme. »Du brauchst nicht zu den Prozessionen zu gehen, um ein Wunder zu sehen. Hier gibt es die jeden Tag. Vielleicht sitzt jetzt gerade eine von diesen mildtätigen Damen da und erzählt: ›Ach, meine Liebe, heute habe ich ein Kind auf dem Pont-Neuf gesehen, das über und über mit Pusteln bedeckt war. Was für ein Elend...! Natürlich habe ich der armen Mutter ein Almosen gegeben...‹ Diese gezierten Weiber sind immer sehr zufrieden mit sich. Und dabei waren es nur ein paar Kügelchen trockenes Brot, mit Honig bestrichen, um die Fliegen anzulocken... Ah, da kommt ja Mort-aux-Rats. Jetzt kannst du gehen …«
    Angélique sah ihn verwundert an.
    Â»Macht nichts, wenn du’s nicht verstehst«, knurrte er. »Das war mit Calembredaine so abgesprochen.«
    Â 
    Mort-aux-Rats, der gerade hereingekommen war, war so spindeldürr, dass sich seine spitzen Knie und Ellbogen durch Hose und Wams gebohrt hatten. Er war ein trauriger Überrest der flämischen Schlachtfelder, und trotzdem gab sich der Spanier mit seinem langen schwarzen Schnurrbart, dem federgeschmückten Hut und dem Rapier über der Schulter, an dem fünf, sechs fette Ratten aufgespießt waren, wie ein leibhaftiger Matamor. Tagsüber verkaufte er in den Straßen ein Mittel gegen die Nager. Und nachts besserte er seine mageren Einkünfte auf, indem er seine Fähigkeiten als Duellkämpfer in Calembredaines Dienste stellte.
    Würdevoll nahm er einen Becher Wein entgegen und knabberte an einer Rübe, die er aus seiner Tasche zog, während ein paar alte Weiber sich um seine Beute stritten: Er verkaufte Ratten zu zwei Sols das Stück. Nachdem er das Geld eingesteckt hatte, grüßte Mort-aux-Rats mit seinem Rapier und steckte es zurück in die Scheide.

    Â»Ich bin bereit«, erklärte er theatralisch.
    Â»Geh«, sagte Cul-de-Bois zu Angélique.
    Â 
    Sie wollte schon fragen, was das alles sollte, doch dann besann sie sich eines Besseren. Ein paar andere Männer waren aufgestanden, »Fechter« oder »Garter«, wie sie genannt wurden, ehemalige Soldaten mit einer Vorliebe für das Plündern und Kämpfen, die seit dem Ende der Kriege zur Untätigkeit verdammt waren. Rasch war sie von ihren Galgengesichtern umringt. Sie trugen zerlumpte Uniformen, an denen noch die Posamenten und Goldverzierungen eines fürstlichen Regiments baumelten.
    Angélique tastete nach dem Dolch des Ägypters unter ihrem Mieder. Sie war fest entschlossen, ihre Haut notfalls teuer zu verkaufen.
    Aber der Dolch war verschwunden.
    Zorn durchströmte sie, der von ihrem leichten Weinrausch noch gesteigert wurde.
    Sie vergaß alle Vorsicht und schrie: »Wer hat mein Messer gestohlen?«
    Â»Hier ist es«, antwortete Jactance mit seiner schleppenden Stimme sofort.
    Mit unschuldiger Miene reichte er ihr die Waffe. Sie war verblüfft. Wie hatte er den Dolch unter ihrem Mieder hervorziehen können, ohne dass sie auch nur das Geringste bemerkt hatte?
    Währenddessen erschallte wieder das dröhnende Gelächter, dieses grässliche Gelächter der Bettler und Räuber, das sie von nun an nicht mehr loslassen sollte.
    Â»Lass dir das eine Lehre sein, Herzchen!«, rief Cul-de-Bois. »Du wirst die Hände von Jactance noch kennenlernen. Jeder einzelne seiner Finger ist geschickter als ein Zauberer. Frag nur die Hausfrauen in den Markthallen, was sie von ihm halten.«
    Â»Schöner Stichling«, bemerkte einer der Garter und nahm den Dolch in die Hand.

    Doch nachdem er ihn genauer betrachtet hatte, warf er ihn erschreckt auf den Tisch.
    Â»Das ist das Messer von Rodogone dem Ägypter!«
    Mit einer Mischung aus Respekt und Sorge beäugten daraufhin alle die im Kerzenschein funkelnde Klinge.
    Â 
    Angélique nahm die Waffe wieder an sich und schob sie in ihren Gürtel. Sie hatte den Eindruck, dass diese Geste sie in den Augen der Bettler zu etwas Besonderem machte. Niemand wusste, unter welchen Umständen sie einem der gefährlichsten Gegner

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