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Angelique Der Gefangene von Notre Dame

Titel: Angelique Der Gefangene von Notre Dame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Golon Anne
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mehr die Zeit für gezierte Spielereien. Seht mich an«, befahl er.
    Sie zwang sich, zu ihm aufzuschauen. Sie sah ein Männergesicht, wie man ihm an allen Straßenecken begegnete, weder schön noch hässlich, Lippen, die sich zu einem spöttischen Lächeln kräuselten und dabei den Blick auf unregelmäßige, aber starke Zähne freigaben, buschige Augenbrauen, ein kantiges Kinn. Einen Mann, der sich durch nichts von den anderen zu unterscheiden schien und der dennoch durch eine geheimnisvolle Gabe die Macht hatte, mehrere Leben zu leben.
    Â»Ich bin ein mittelloser Advokat«, fuhr er fort, »und die Menschen um uns herum sind einfache Leute aus dem Volk. Sie mögen derb sein, aber sie sind weniger lasterhaft als viele der Großen, die ihren Blick auf Eurem Busen ruhen ließen, ohne dass es Euren Zorn erregt hätte. Ihr habt mir gesagt, Madame de Peyrac existierte nicht mehr... Also müsst Ihr jetzt lernen, eine andere Frau zu sein, sonst...«
    Er machte eine Geste, als fegte er mit einem Besen über den Boden.
    Â 
    Maître Georges kam mit einem kleinen blitzenden Messer in der Hand zurück.
    Â»Ich fürchte, es wird mir nichts anderes übrig bleiben, als ins Fleisch zu schneiden«, sagte er. »Ich sehe da eine weißliche Flüssigkeit unter der Haut, die entfernt werden muss. Hab keine Angst, Herzchen«, fügte er hinzu, als redete er mit einem Kind, »keiner hat geschicktere Hände als Maître Georges.«

    Trotz ihrer Befürchtungen musste Angélique zugeben, dass er die Wahrheit gesagt hatte, denn er operierte sehr gewandt. Nachdem er einen kräftigen Schwall Branntwein auf die Wunde gegossen hatte, der sie zusammenzucken ließ, wies er sie an, in die Badestube hinaufzugehen, er werde sie anschließend fertig verbinden.
    Â 
    Die Schwitzbäder von Maître Georges waren eine der letzten Einrichtungen, wie sie im Mittelalter bestanden hatten, als die Kreuzfahrer aus dem Orient zurückkehrten, wo sie nicht nur Gefallen an den türkischen Bädern gefunden hatten, sondern auch daran, sich zu waschen. Zu jener Zeit wimmelte es in Paris von Schwitzbädern, wo man nicht nur schwitzte und sich den Dreck vom Körper wusch, sondern sich auch am ganzen Körper das Haar entfernen ließ. Doch schon bald hatten sie sich einen üblen Ruf erworben, da zu ihren vielfältigen Spezialitäten auch jene gehörten, die hauptsächlich in die Zuständigkeit der verrufenen Häuser in der Rue du Val d’amour fielen. Besorgte Priester, sittenstrenge Hugenotten und Ärzte, die in ihnen eine Brutstätte für Hautkrankheiten vermuteten, hatten sich verbündet, um ihre Abschaffung durchzusetzen. Und seitdem gab es, abgesehen von den schmutzigen Räumlichkeiten einiger Barbiere, in Paris keine Möglichkeit mehr, sich zu waschen. Aber die Leute schienen dem nicht wirklich nachzutrauern.
    Maître Georges sprach gelegentlich davon, seine Schwitzbäder zu schließen, da sie ihm allerlei Ärger eintrugen. Sie brachten ihm mehr Probleme als Geld, erklärte er. Im Vorbeigehen erhaschte Angélique durch einen Türspalt einen Blick auf ein Paar, das gemeinsam auf einem Ruhebett lag. Und sie hatte den Verdacht, dass der Argwohn der Moralwächter nicht ganz unbegründet war.
    Die Schwitzbäder selbst bestanden aus zwei großen gefliesten Räumen, die mit kleinen Holzkabinen ausgestattet waren. Im
hinteren Teil jedes der beiden Räume erhitzte ein Junge steinerne Kugeln in einem Ofen.
    Â 
    Angélique wurde von einer der Mägde, die sich um den Frauensaal kümmerten, vollständig ausgezogen. Man schloss sie in eine der Kabinen ein, in der sich eine Bank und ein kleines Wasserbecken befanden, in das zuvor ein paar glühend heiße Steinkugeln geworfen worden waren. Das Wasser zischte, und heißer Dampf stieg daraus empor.
    Angélique bekam auf ihrer Bank kaum Luft, sie keuchte und glaubte, sie müsse sterben. Als man sie wieder herausholte, lief ihr der Schweiß in Strömen über den Körper.
    Dann befahl ihr die Magd, in eine kupferne Wanne mit kaltem Wasser zu steigen, ehe sie sie in ein Handtuch wickelte und in einen angrenzenden Raum brachte, in dem sich bereits andere Frauen in schlichtestem Aufzug aufhielten. Dienerinnen, bei denen es sich zum größten Teil um hässliche alte Vetteln handelte, rasierten die Kundinnen oder kämmten ihr langes Haar, während sie

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