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Angelique Der Gefangene von Notre Dame

Titel: Angelique Der Gefangene von Notre Dame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Golon Anne
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draußen nicht das Angelusläuten?«
    Â»Das könnte schon sein«, entgegnete Desgrez.
    Gontran stand auf und streckte sich.
    Â»Ich muss gehen, Angélique, sonst wird mein Meister unzufrieden. Geh mit Maître Desgrez zu Raymond in den Temple. Ich schaue heute Abend bei Hortense vorbei, auch wenn mir der Besuch wieder nichts als Beleidigungen von unserer reizenden Schwester einbringen wird. Und dir rate ich noch einmal, geh weg aus Paris. Aber ich weiß ja, du bist das störrischste Maultier, das unser Vater je großgezogen hat...«
    Â»Und du bist sein störrischster Esel«, gab Angélique zurück.
    Gemeinsam gingen sie hinaus, gefolgt von Desgrez’ Hund, der auf den Namen Sorbonne hörte. Durch die Rinne in der Mitte der Straße floss schlammiges Wasser. Es hatte geregnet. Die Luft war immer noch mit Feuchtigkeit getränkt, und die eisernen Ladenschilder quietschten im schwachen Wind.
    Â»Zur Barke! Zur Schale!«, rief eine Austernhändlerin.
    Â»Auf ein gutes Erwachen! Auf die Sonne des Leibes!«, antwortete der Branntweinverkäufer.
    Â 
    Gontran hielt den Mann an und leerte mit einem Zug einen Becher Schnaps. Dann wischte er sich mit dem Handrücken die Lippen ab, bezahlte, lüpfte zum Abschied den Hut und verschwand in der Menge. Dabei sah er aus wie all die anderen Handwerker, die zu dieser Stunde zur Arbeit gingen.
    Was ist bloß aus uns geworden, dachte Angélique, während sie ihm nachschaute. Schöne Erben hat der Name de Sancé!
    Ein wenig verlegen, weil sie sich für ihren Bruder schämte, wandte sie sich an Desgrez.

    Â»Er war schon immer etwas sonderbar«, sagte sie. »Er hätte Offizier werden können wie alle jungen Adligen, aber er wollte immer bloß Farben mischen. Meine Mutter erzählte oft, als sie mit ihm schwanger war, habe sie acht Tage damit verbracht, alle Kleider der Familie schwarz zu färben, weil meine Großeltern gestorben waren. Vielleicht liegt es ja daran?«
    Desgrez lächelte.
    Â»Lasst uns Euren Jesuitenbruder aufsuchen«, entgegnete er. »Das vierte Exemplar dieser seltsamen Familie.«
    Â»Oh, Raymond ist eine angesehene Persönlichkeit.«
    Â»Das hoffe ich für Euch, Madame.«
    Â»Ihr dürft mich nicht mehr Madame nennen«, erwiderte Angélique. »Schaut mich an, Maître Desgrez.«
    Sie hob ihr rührendes wachsbleiches, schmales Gesicht zu ihm auf. Die Müdigkeit hellte ihre grünen Augen auf und verlieh ihnen eine kaum vorstellbare Farbe: das Grün der ersten Frühlingsblätter.
    Â 
    Â»Der König hat gesagt, er wolle nie wieder etwas von mir hören. Versteht Ihr, was dieser Befehl bedeutet? Es gibt keine Madame de Peyrac mehr. Ich darf nicht mehr existieren. Ich existiere nicht mehr. Versteht Ihr das?«
    Â»Ich verstehe vor allem, dass Ihr krank seid«, antwortete Desgrez. »Bleibt Ihr bei Eurer Aussage von vor ein paar Tagen?«
    Â»Welcher Aussage?«
    Â»Dass Ihr kein Vertrauen mehr zu mir habt?«
    Â»Im Augenblick seid Ihr der Einzige, dem ich noch vertrauen kann.«
    Â»Dann kommt mit. Ich bringe Euch an einen Ort, wo man sich um Euch kümmert. Ihr könnt nicht vor einen gestrengen Jesuiten treten, solange Ihr nicht im Vollbesitz Eurer Kräfte seid.«
    Er griff nach ihrem Arm und geleitete sie durch das Gewühl der morgendlichen Stadt.

ZWEITER TEIL
    Im Schatten des Temple

Kapitel 7
    I n den Straßen herrschte inzwischen ein ohrenbetäuben der Lärm. Alle Händler begannen gleichzeitig, mit lautem Geschrei ihre Waren anzupreisen.
    Angélique hatte große Mühe, ihre verletzte Schulter vor Stö ßen zu schützen, und sie biss die Zähne zusammen, um nicht aufzustöhnen.
    Â 
    In der Rue Saint-Nicolas blieb Desgrez vor einem Laden stehen, dessen riesiges Schild ein kupfernes Becken auf königsblauem Grund zeigte. Dampfschwaden drangen aus den Fenstern im ersten Stock ins Freie.
    Angélique erkannte, dass sie vor dem Haus eines Baders und Barbiers standen, und bei dem Gedanken, in einen Zuber voll warmem Wasser zu steigen, durchströmte sie schon im Voraus ein Gefühl der Erleichterung.
    Maître Georges, der Inhaber, forderte sie auf, sich hinzusetzen und ein paar Minuten zu warten. Er rasierte gerade mit kreisenden Bewegungen einen Musketier und lamentierte dabei über das Elend des Friedens, eines der größten Unglücke, das einem tapferen Krieger widerfahren

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