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Angelique Der Gefangene von Notre Dame

Titel: Angelique Der Gefangene von Notre Dame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Golon Anne
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Madame Cordeau nahm sie ihre Mahlzeiten in Gesellschaft der Witwe selbst, ihres fünfzehnjährigen Sohnes, der in der Stadt als Lehrling arbeitete, und eines ruinierten Kaufmanns ein, der sich im Temple vor seinen Gläubigern versteckte.
    Â»Das größte Unglück meines Lebens war, dass mein Vater und meine Mutter mich schlecht erzogen haben«, sagte er gern. »Ja, Madame, sie haben mich Ehrlichkeit gelehrt. Und das ist
der größte Fehler, den man haben kann, wenn man den Beruf eines Kaufmanns wählt.«
    Der kleine Florimond erhielt viele Komplimente, und Angélique war sehr stolz auf ihn. Sie nutzte den geringsten Sonnenstrahl, um mit ihm zwischen den Marktständen spazieren zu gehen, wo alle Marktfrauen behaupteten, er sähe aus wie das kleine Jesuskind in der Krippe.
    Einer der Schmuckhändler, der seinen kleinen Stand an der Mauer des Hauses eingerichtet hatte, in dem Angélique wohnte, schenkte ihr ein Kreuz mit roten Steinen, die wie Rubine aussehen sollten. Als Angélique dem Kind das kümmerliche Schmuckstück um den Hals legte, wurde sie von Wehmut erfasst. Wo war der sechskarätige Diamant, den Florimond am Tag ihrer zeremoniellen Vorstellung bei Hof in Saint-Jean-de-Luz beinahe verschluckt hätte?
    Die Hersteller von falschem Schmuck gehörten zu der Vielzahl von Handwerkern, die sich im ehemaligen Templerbezirk niederließen, um sich den tyrannischen Forderungen der Zünfte zu entziehen, und da Imitationen durch die Pariser Goldschmiedezunft verboten waren, war der Temple der einzige Ort in der ganzen Stadt, wo man all das Flitterwerk erstehen konnte, mit dem sich die Mädchen aus dem Volk so gern schmückten. Aus allen Winkeln der Hauptstadt strömten sie herbei, frisch und hübsch in ihren ärmlichen Kleidern aus tristem, meist grauem Stoff, weshalb sie auch grisettes 3 genannt wurden.
    Angélique, die die schillernden Farben des Hofes sehr gemocht hatte, war überrascht und bekümmert, als sie das einförmige Aussehen der einfachen Leute von Paris entdeckte. Viele von ihnen kleideten sich noch nach der Mode des vergangenen Jahrhunderts. Sie selbst hatte ihre letzten Röcke aus Seide und Taft gegen ein robustes Kleid aus brauner Wolle eingetauscht. Für Florimond hatte sie einen Kittel in der gleichen Farbe und einen kleinen Kapuzenumhang gekauft.

    Bei ihren Spaziergängen vermied sie es, in die Nähe der prächtigen Häuser jener reichen und vornehmen Persönlichkeiten zu kommen, die sich – manche aus Neigung, manche aus Sparsamkeit – innerhalb der Mauern des Temple niedergelassen hatten. Zum einen fürchtete sie, von den Besuchern erkannt zu werden, deren Karossen mit lautem Gepolter durch das Torgewölbe fuhren, aber vor allem wollte sie sich wehmütige Gedanken ersparen. Ein vollständiger Bruch mit ihrem früheren Leben erschien ihr in jeglicher Hinsicht als das Beste. Und schließlich war sie ja tatsächlich nur noch die Frau eines armen, von allen verlassenen Gefangenen...

Kapitel 9
    D och als sie eines Tages mit Florimond auf dem Arm die Treppe hinunterging und zum ersten Mal ihrer Zimmernachbarin begegnete, hatte sie das Gefühl, dass die Frau ihr bekannt vorkam. Madame Cordeau hatte ihr gesagt, dass bei ihr auch eine arme, aber sehr zurückhaltende junge Witwe wohnte, die lieber einen kleinen Zuschlag zu ihrer bescheidenen Miete zahlte, damit man ihr die Mahlzeiten aufs Zimmer brachte. Angélique erhaschte einen flüchtigen Blick auf ein hinreißendes Gesicht unter braunem Haar. Angelique war sich sicher, der Frau schon einmal begegnet zu sein.
    Â 
    Sie machte nur einen kurzen Spaziergang, weil es regnete, und als sie zurückkam, schien ihre Nachbarin auf sie zu warten.
    Â»Seid Ihr nicht Madame de Peyrac?«, fragte sie.
    Ã„rgerlich und ein wenig besorgt zugleich, bedeutete ihr Angélique mit einem Wink, sie in ihr Zimmer zu begleiten.
    Â»Wir sind am Tag des feierlichen Einzugs des Königs zusammen in der Kutsche meiner Freundin Athénaïs de Tonnay-Charente gefahren. Ich bin Madame Scarron.«
    Da erkannte Angélique die ebenso schöne wie diskrete Frau wieder, für deren ärmlichen Aufzug sich damals alle ein wenig geschämt hatten. Die »Frau des Krüppels«, wie Athénaïs’ Bruder sie boshaft genannt hatte.
    Â 
    Hortense hatte es sich nicht nehmen lassen, herauszustreichen, welch glanzvolle Bekanntschaften sie dank ihrer

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