Angelique Der Gefangene von Notre Dame
nicht, wer ihn so genau informiert hatte, aber nach einem forschenden Blick auf Desgrez fragte er ohne Umschweife: »Was sollten wir Eurer Ansicht nach unternehmen, Maître, um meinen unglücklichen Schwager zu retten?«
»Ich denke, im vorliegenden Fall wäre das Bessere des Guten Feind. Der Graf de Peyrac ist zweifellos das Opfer einer Hofkabale, von der der König nichts weiÃ, obwohl sie von einer mächtigen Persönlichkeit gelenkt wird. Ich möchte jedoch keinen Namen nennen.«
»Das solltet Ihr auch lieber nicht tun«, warf Pater de Sancé rasch ein, während vor Angéliques geistigem Auge das verschlagene Profil des gefährlichen Eichhörnchens aufschien. »Welche Höhen werde ich nicht erklimmen?« 2
»Aber es wäre unklug, die Machenschaften von Personen durchkreuzen zu wollen, die Geld und Einfluss auf ihrer Seite haben. Dreimal wäre Madame de Peyrac bereits fast einem Anschlag zum Opfer gefallen. Das muss genügen. Wir sollten uns fügen und uns auf das beschränken, was wir offen vorbringen dürfen. Monsieur de Peyrac wird der Hexerei beschuldigt.
Nun gut, dann soll er einem kirchlichen Gericht überstellt werden. Und an diesem Punkt, Pater, wird Eure Hilfe auÃerordentlich wertvoll, denn ich will Euch nicht verhehlen, dass ich als unbekannter Advokat dahingehend über keinerlei Einfluss verfüge.«
»Dennoch scheint Ihr mir über weitreichende Kenntnisse im Bereich des kanonischen Rechts zu verfügen.«
»Oh, bei mir werdet Ihr mehr Diplome finden als Mandeln in einem Marzipan«, entgegnete Desgrez und gab damit zum ersten Mal während dieser Unterhaltung seine steife Haltung auf.
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Raymond lächelte, und Angélique wunderte sich über das spontane Einvernehmen zwischen den beiden Männern.
»Damit ich als Anwalt des Grafen de Peyrac meine Einwendungen vorbringen kann, müsste erst einmal über den Prozess entschieden und ihm ein Rechtsbeistand zugestanden werden. Ich vermute, zu Beginn hatte niemand so etwas im Sinn. Aber die verschiedenen Schritte, die Madame de Peyrac bei Hof unternommen hat, haben das Gewissen des Herrschers erschüttert. Mittlerweile zweifle ich nicht mehr daran, dass es zu einem Prozess kommen wird. Und Ihr, Pater, könntet dafür sorgen, dass er in der einzig zulässigen Form durchgeführt wird, wodurch Missbrauch und Fälschungen durch weltliche Richter unmöglich werden.«
»Wie ich sehe, macht Ihr Euch keine Illusionen über Eure eigene Zunft, Maître.«
»Ich mache mir keine Illusionen über irgendjemanden, Pater.«
»Das ist sehr weise«, stimmte ihm Raymond de Sancé zu.
AnschlieÃend versprach er ihnen, einige Personen aufzusuchen, deren Namen er nicht nannte, und den Advokaten und seine Schwester über seine Schritte auf dem Laufenden zu halten.
»Du wohnst bei Hortense, nicht wahr?«
»Ja«, antwortete Angélique mit einem Seufzen.
»Wo Ihr gerade davon sprecht«, mischte sich Desgrez ein. »Mir ist da ein Gedanke gekommen. Könntet Ihr nicht Eure Verbindungen nutzen, Pater, um Eurer Schwester, meiner Klientin, eine bescheidene Unterkunft im Temple zu besorgen? Ihr wisst ja, dass ihr Leben immer noch in Gefahr ist, aber niemand würde es wagen, in diesen Bezirk einzudringen, um ein Verbrechen zu begehen. Jeder weiÃ, dass der GroÃprior, der Herzog von Vendôme, keine Verbrecher innerhalb der Mauern duldet und jedem Schutz gewährt, der ihn um Obdach bittet. Ein Mord in seinem Gerichtsbereich würde ein öffentliches Aufsehen erregen, das niemand wünscht. AuÃerdem könnte Madame de Peyrac unter falschem Namen einziehen, was ihre Spuren verwischen würde. Und schlieÃlich würde ihr diese Lösung ein wenig Ruhe verschaffen, was sie bei ihrer angegriffenen Gesundheit dringend benötigt.«
»Euer Vorschlag klingt sehr vernünftig«, stimmte ihm Raymond zu. Nachdem er eine Weile nachgedacht hatte, ging er hinaus und kam mit einem kleinen Zettel zurück, auf dem er eine Adresse notiert hatte: Madame Cordeau, Witwe, Zimmervermieterin am Carreau du Temple .
»Die Unterkunft ist bescheiden, ja sogar ärmlich. Aber du bekommst ein groÃes Zimmer und kannst deine Mahlzeiten bei Madame Cordeau einnehmen, die den Auftrag hat, sich um das Häuschen zu kümmern und drei, vier Zimmer darin zu vermieten. Ich weiÃ, dass du mehr Luxus gewohnt bist, aber ich
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