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Angelique Der Gefangene von Notre Dame

Titel: Angelique Der Gefangene von Notre Dame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Golon Anne
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erreichen?«, fragte der Jesuit verärgert.
    Â 
    Angéliques Augen leuchteten.
    Â»Doch«, sagte sie leise, »aber Monsieur Vincent war ein Heiliger.«
    Darauf entgegnete niemand etwas, schließlich seufzte Pater de Sancé.
    Â»Du hast recht. Es bedarf tatsächlich eines Heiligen, um den hochmütigen König zum Einlenken zu bewegen. Selbst seine engsten Höflinge kennen das wahre Wesen dieses jungen Mannes noch nicht, der unter seinem beherrschten Äußeren von glühender Machtgier zerfressen wird. Ich zweifle nicht daran, dass er ein großer König ist, aber...«
    Er verstummte, vielleicht glaubte er, es sei zu gefährlich, solche Bemerkungen zu äußern.
    Â»Wir wissen«, fuhr er fort, »dass mehrere Gelehrte, die gegenwärtig in Rom leben und von denen zwei unserer Gemeinschaft angehören, wegen der Verhaftung des Grafen Joffrey de Peyrac besorgt sind und, natürlich unter dem Deckmantel der Verschwiegenheit, denn die Angelegenheit wurde ja bis heute geheim gehalten, dagegen protestiert haben. Wir könnten versuchen, ihre Aussagen zu bündeln und den Papst zu bitten, schriftlich beim König zu intervenieren. Wenn diese erhabene Stimme ihn an seine Verantwortung gemahnt und ihn beschwört, den Fall eines Angeklagten, den die größten Geister unserer Zeit einhellig vom Vorwurf der Hexerei freisprechen,
mit Bedacht zu prüfen, könnte ihn das vielleicht milde stimmen.«
    Â»Glaubst du denn, der Papst würde einen solchen Brief schreiben?«, entgegnete Angélique mutlos. »Die Kirche mag die Gelehrten nicht besonders.«
    Â»Mir scheint, einer Frau mit deinem Lebenswandel steht es nicht zu, über die Fehler oder Irrtümer der Kirche zu urteilen«, antwortete Raymond sanft.
    Â 
    Angélique ließ sich von seinem freundlichen Ton nicht täuschen und schwieg.
    Â»Ich hatte den Eindruck, dass zwischen mir und Raymond heute irgendetwas nicht stimmte«, sagte sie kurz darauf, als sie den Advokaten zum Tor des Temple zurückbegleitete. »Warum urteilt er so hart über meinen Lebenswandel? Mir scheint, ich führe ein mindestens ebenso vorbildliches Leben wie die Henkersfrau, bei der ich wohne.«
    Desgrez lächelte.
    Â»Ich vermute, dass Euer Bruder bereits ein paar der Zettel zu Gesicht bekommen hat, die seit heute Morgen in Paris in Umlauf sind. Claude Le Petit, der berühmte Dichter vom Pont-Neuf, der den Großen seit fast sechs Jahren Bauchgrimmen beschert, hat von dem Prozess gegen Euren Gemahl erfahren und die Gelegenheit genutzt, seine Feder in Vitriol zu tauchen.«
    Â»Was kann er denn schon behaupten? Habt Ihr die Pamphlete gelesen?«
    Â 
    Der Advokat winkte Monsieur Clopot heran, der hinter ihnen herging, und forderte ihn auf, ihm den Beutel zu reichen, den er in der Hand hielt. Dann zog er ein Bündel ungelenk bedruckter Blätter heraus.
    Es handelte sich um kurze, gereimte Lieder. Mit schwungvollem Witz schilderte der Schreiber, der sich offensichtlich mit
Absicht der gemeinsten Beleidigungen und vulgärsten Bezeichnungen bediente, Joffrey de Peyrac als »den großen Hinkefuß, den langhaarigen Wilden, den großen Hahnrei aus dem Languedoc«...
    Er hatte leichtes Spiel, sich über das Äußere des Angeklagten lustig zu machen. Eines seiner Spottgedichte endete mit den Versen:
    Doch die schöne Madame de Peyrac,
hofft, dass ihr Mann, der verkrüppelte Sack,
noch lange in seiner Zelle wird bleiben
damit sie es fröhlich im Louvre kann treiben.
    Angélique glaubte, sie würde erröten, aber in Wirklichkeit wurde sie leichenblass.
    Â»Oh, dieser verfluchte Schmutzpoet!«, schrie sie und schleuderte die Blätter auf die schlammige Straße. »Sie haben ja alle recht: Der Dreck ist noch viel zu sauber für ihn!«
    Â»Pst, Madame, Ihr dürft doch nicht fluchen«, protestierte Desgrez mit gespielter Entrüstung, während sich der Gerichtsschreiber bekreuzigte. »Monsieur Clopot, würdet Ihr bitte diesen Unrat wieder aufsammeln und zurück in den Beutel stecken.«
    Â»Ich wüsste zu gern, warum man nicht diese elenden Schmierfinken ins Gefängnis steckt, statt dort ehrbare Leute einzusperren«, fuhr Angélique, vor Wut zitternd, fort. »Und ich habe gehört, dass sie in die Bastille kommen, als verdienten sie auch nur den geringsten Respekt. Warum wirft man sie nicht zu den Räubern ins Châtelet? Zu denen passen sie

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