Angelique Der Gefangene von Notre Dame
gotteslästerlichen Akt versucht haben, die Kirche lächerlich zu machen.«
»Bitte entschuldigt mich einen Augenblick«, sagte Pater de Sancé und stand auf.
Kurz darauf kehrte er in Begleitung eines anderen Jesuiten zurück, den er ihnen als Pater Kiher vorstellte.
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Der GroÃexorzist von Frankreich beeindruckte Angélique sehr. Sie wusste nicht genau, was sie erwartet hatte. Aber ganz sicher nicht einen Mann von so bescheidenem ÃuÃeren. Ohne seine schwarze Soutane und das kupferne Kreuz auf seiner Brust hätte man den groà gewachsenen, schweigsamen Jesuiten leicht für einen friedlichen Bauern halten können und nicht für einen Priester, der es gewohnt war, mit dem Teufel Zwiesprache zu halten.
Angélique spürte, dass selbst Desgrez trotz seiner tief verwurzelten Skepsis unwillkürlich von der Persönlichkeit des Neuankömmlings fasziniert war.
Raymond erklärte, dass er Pater Kiher bereits über die Angelegenheit in Kenntnis gesetzt habe, und berichtete ihm von den jüngsten Entwicklungen.
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Der GroÃexorzist lauschte mit einem gütigen, beruhigenden Lächeln.
»Das Ganze erscheint mir recht simpel«, sagte er schlieÃlich. »Ich muss lediglich selbst einen vorschriftsgemäÃen Exorzismus durchführen. Das Protokoll, das Ihr vor Gericht verlesen werdet und das ich durch meine persönliche Aussage stütze, wird das Gewissen der Richter zweifellos in einen heiklen Zwiespalt bringen.«
»So einfach ist das nicht«, entgegnete Desgrez und kratzte
sich heftig am Kopf. »Der Gefangene wird streng bewacht und darf mit niemandem reden. Zu versuchen, Euch Zutritt zur Bastille zu verschaffen, und sei es auch als Geistlicher, ist wahrscheinlich ein recht aussichtsloses Unterfangen...«
»Umso mehr, als wir zu dritt sein müssen.«
»Wieso das denn?«
»Der Leibhaftige ist zu geschickt, als dass ein einzelner Mann, und sei er mit noch so vielen Gebeten gewappnet, ihn gefahrlos herausfordern könnte. Um einem Mann gegenüberzutreten, der mit dem Teufel Umgang pflegt, müssen mir mindestens zwei meiner üblichen Gehilfen zur Seite stehen.«
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»Aber mein Gemahl pflegt doch keinen Umgang mit dem Teufel!«, protestierte Angélique.
Unvermittelt vergrub sie das Gesicht in beiden Händen, um ein krampfhaftes Lachen zu ersticken. Sie hatte so oft gehört, Joffrey pflege Umgang mit dem Teufel, dass sich ihr schlieÃlich die Vorstellung ihres Gemahls aufdrängte, der behaglich in seinem Salon saà und mit einem lächelnden, gehörnten Teufel plauderte. Ach, wenn sie doch nur endlich wieder zu Hause in Toulouse wären, dann würden sie über all diese Torheiten herzlich lachen! Sie stellte sich vor, wie sie auf Joffreys Schoà saà und ihre Lippen in seinem dichten, nach Veilchenparfüm duftenden Haar vergrub, während seine wundervollen Hände in endlosen Liebkosungen den Körper wiederentdeckten, den er so liebte.
Ihr haltloses Gelächter endete in einem abgehackten Schluchzen.
»Nur Mut, liebe Schwester«, tröstete Raymond sie sanft. »Die Geburt des Herrn schenkt uns Hoffnung: Friede den Menschen, die guten Willens sind.«
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Doch das unentwegte Schwanken zwischen Hoffen und Verzweiflung zehrte an der jungen Frau. Wenn sie an die letzte Weihnacht
zurückdachte, die sie im festlichen Toulouse verbracht hatte, überkam sie blankes Entsetzen angesichts des Weges, den sie seitdem zurückgelegt hatte. Als an diesem Heiligen Abend alle Glocken von Paris unter dem grauen Himmel läuteten, gab es für sie keinen anderen Platz, an dem sie willkommen war, als den Kamin der Witwe Cordeau.
Diese hatte ihre Mieter eingeladen, den Heiligen Abend bei ihr zu verbringen, denn in dieser Nacht sollte niemand allein auf die Christmette warten müssen, und es war die Pflicht eines jeden guten Christen, die Einsamen um sich zu scharen.
In Gegenwart der Alten, die ruhig ihre Wolle spann, und des Henkerslehrlings, der unschuldig mit dem kleinen Florimond spielte, brachte Angélique gerade noch die Kraft auf, ihre Handflächen zum Feuer hin auszustrecken. Neben ihr auf der Bank saà Madame Scarron, ebenso jung, ebenso schön und ebenso arm und verlassen wie sie selbst, und manchmal legte die junge Witwe sanft einen Arm um die Taille ihrer Gefährtin und drängte sich in dem zaghaften Bedürfnis, einen anderen Körper an ihrem einsamen
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