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Angelique Der Gefangene von Notre Dame

Titel: Angelique Der Gefangene von Notre Dame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Golon Anne
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Fleisch zu spüren, an sie.
    Der alte Modewarenhändler, der sich ebenfalls an das einzige Feuer des tristen Häuschens geflüchtet hatte, döste in dem gepolsterten Lehnstuhl, den er aus seinem Zimmer heruntergeschafft hatte, vor sich hin. Er redete leise im Schlaf und rechnete in dem beharrlichen Versuch, die Gründe für seinen Bankrott aufzudecken, Zahlen zusammen. Als ihn das Knacken eines Holzscheits aufweckte, lächelte er und rief bemüht heiter: »Lasst uns nicht vergessen, dass die Geburt Jesu bevorsteht. Die ganze Welt freut sich. Wollen wir nicht ein kleines Weihnachtslied singen?«
    Und zu Florimonds großer Freude begann er mit zittriger Stimme zu singen:
    Â» Drei kleine Schäferinnen
im schönen Wiesengrund,

zu denen kam der Engel
und tat ihnen die Nachricht kund.
La, la, ladiladida ...«
    Plötzlich klopfte es an der Tür. Sie sahen einen dunklen Schatten, der Cordaucou ein paar Worte zuflüsterte.
    Â»Da ist jemand für Madame Angélique«, sagte der Junge.
    In dem Glauben, Desgrez vorzufinden, stand Angélique auf. Im Eingang sah sie einen gestiefelten Reiter in einem weiten Umhang, dessen tief in die Stirn gezogener Hut sein Gesicht verbarg.
    Â»Ich bin gekommen, um dir Lebewohl zu sagen, meine liebe Schwester.«
    Es war Raymond.
    Â»Wohin gehst du?«, fragte sie verwundert.
    Â»Nach Rom... Ich kann dir nichts Näheres über meine Mission sagen, aber schon morgen wird alle Welt erfahren, dass sich die Beziehungen zwischen der französischen Gesandtschaft und dem Vatikan verschlechtert haben. Der Botschafter hat sich geweigert, den Anweisungen des Heiligen Vaters zu folgen, denen zufolge nur die Mitglieder der Gesandtschaft Zugang zum Botschaftsgelände erhalten sollten. Und Ludwig XIV. hat ausrichten lassen, dass er mit Gewalt gegen jeden vorgehen werde, der ihm fremde Entscheidungen aufzwingen wolle. Wir stehen kurz vor einem Bruch zwischen der französischen Kirche und dem Heiligen Stuhl. Diese Katastrophe muss um jeden Preis verhindert werden. Ich muss so schnell wie möglich nach Rom reiten und versuchen, einen Kompromiss auszuhandeln und die Gemüter zu beruhigen.«
    Â»Du gehst weg!«, wiederholte sie bestürzt. »Du lässt mich also auch im Stich? Was ist mit dem Brief für Joffrey?«
    Â»Ach, meine arme Kleine, ich fürchte sehr, dass unter den gegenwärtigen Umständen ein Ersuchen des Heiligen Vaters bei
unserem König wenig Gehör finden würde. Aber ich verspreche dir, dass ich mich während meines Aufenthalts in Rom weiter um die Angelegenheit kümmern werde. Hier hast du etwas Geld. Und ich habe noch eine Neuigkeit für dich: Vor knapp einer Stunde habe ich mit Desgrez gesprochen. Dein Gemahl ist in das Gefängnis des Justizpalastes verlegt worden.«
    Â»Was hat das zu bedeuten?«
    Â»Dass er bald vor Gericht gestellt wird. Aber das ist noch nicht alles. Maître Desgrez ist sich sicher, dass es ihm gelingen wird, Pater Kiher und seinen Gehilfen Zugang zur Conciergerie zu verschaffen. Noch heute Nacht werden sie den Umstand nutzen, dass wegen der Christmette so viele Menschen unterwegs sind, und heimlich den Gefangenen besuchen. Ich zweifle nicht daran, dass diese Prüfung für den Prozess entscheidend sein wird. Hab Vertrauen!«
    Â 
    Sie hörte ihm mit eisigem Herzen zu, unfähig, neue Hoffnung zu schöpfen.
    Da legte der Mönch die Hände auf ihre zarten Schultern, zog sie an sich und küsste sie brüderlich auf die kalten Wangen.
    Â»Hab Vertrauen, meine liebe Schwester«, sagte er nochmals.
    Dann hörte sie, wie die von der dichten Schneedecke gedämpften Schritte der beiden Pferde verklangen, die die Zugbrücke des Temple überquerten und sich durch die Straßen von Paris entfernten.
    Hinter der Porte Saint-Antoine würde ihr Bruder die Straße nach Lyon nehmen und mit verhängtem Zügel auf die Alpen, Italien, Rom und den Vatikan zureiten. Vielleicht war doch noch nicht alles verloren.
    Ein Schauer durchlief Angélique. In dieser Nacht noch, während die Weihnachtsglocken läuteten, würden sich drei Männer vorsichtig in das schreckliche Dunkel eines Verlieses vorwagen, um den Teufel herauszufordern.

    Schweigend befestigte sie die Börse, die Raymond ihr gegeben hatte, an ihrem Gürtel, kehrte an ihren Platz neben Madame Scarron zurück und versuchte zu beten.
    Â 
    Am übernächsten Tag ging noch

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