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Angelique Der Gefangene von Notre Dame

Titel: Angelique Der Gefangene von Notre Dame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Golon Anne
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in Händen haltet. Messieurs, dieser falsche ›Exorzismus‹, auf den das Gericht sein Urteil zu stützen droht, wurde mit einem manipulierten Instrument vorgenommen. Zwar sah es auf den ersten Blick völlig harmlos aus, doch in seinem Inneren verbarg sich eine lange Nadel, die auf einen unsichtbaren Fingernageldruck herausschnellte und sich im gewünschten Moment in das Fleisch des Opfers bohrte. Ich behaupte, dass auch der beherzteste Mann nicht in der Lage ist, diese Probe zu überstehen, ohne vor Überraschung und Schmerz laut aufzuschreien. Ist einer von Euch, Messieurs, mutig genug, die raffinierte Tortur über sich ergehen zu lassen, der mein Mandant ausgesetzt wurde und die nun auch noch als Beweis herhalten soll, um ihn der Besessenheit zu überführen...?«
    Sehr steif und blass richtete Fallot de Sancé sich auf und streckte einen Arm aus.
    Doch Masseneau ging ungeduldig dazwischen.
    Â»Mir reicht es jetzt mit dieser Komödie! Ist das der Stift, mit dem der Exorzismus durchgeführt wurde?«
    Â»Es ist eine getreue Kopie davon. Das Original hat dieser Lehrling vor etwa drei Wochen zur Bastille gebracht und Bécher ausgehändigt, und das kann er auch bezeugen.«
    In dem Moment löste der Junge schalkhaft den Mechanismus aus, und die Nadel sprang dicht vor Masseneaus Nase heraus, sodass dieser einen Satz nach hinten machte.
    Â»Als Vorsitzender des Gerichts weise ich diesen Zeugen ab. Er wurde erst in letzter Minute hergebracht und steht nicht auf der Liste des Gerichtsschreibers. Außerdem ist er noch ein Kind, weshalb seine Aussage ohnehin von zweifelhaftem Wert wäre. Und zu guter Letzt bin ich davon überzeugt, dass er diese Aussage nicht ohne Grund macht. Wie viel hat man dir bezahlt, damit du hierherkommst?«
    Â»Noch nichts, M’sieur. Aber man hat mir das Doppelte von
dem versprochen, was der Mönch mir schon gegeben hat, also zwanzig Livres.«
    Zornig wandte sich Masseneau an den Advokaten.
    Â»Ich warne Euch, wenn Ihr darauf besteht, diese Zeugenaussage festhalten zu lassen, sehe ich mich gezwungen, keine weiteren Entlastungszeugen mehr anzuhören.«
    Desgrez senkte ergeben den Kopf, und der Junge verschwand so schnell durch die schmale Tür der Gerichtskanzlei, als sei der Teufel hinter ihm her.
    Â 
    Â»Bringt die anderen Zeugen herein«, befahl der Vorsitzende kurz angebunden.
    Von draußen hörte man Lärm, der wie die Schritte einer großen Schar von Möbelpackern klang. Dann erschien ein seltsamer, von zwei Gerichtsdienern angeführter Zug. Zuerst kamen mehrere schwitzende, zerlumpte Träger aus den Markthallen, die eigenartige Pakete hereintrugen, aus denen eiserne Röhren, Blasebälge und andere seltsame Dinge hervorschauten. Dann folgten zwei kleine Savoyarden, die Körbe mit Holzkohle und Steinguttöpfe hinter sich herzogen, die mit merkwürdigen Aufschriften versehen waren.
    Hinter zwei Wachen betrat schließlich ein missgestalteter Gnom den Saal, den der riesige, zutiefst beeindruckte Kouassi-Ba vor sich herzustoßen schien. Der Mohr hatte mit Porzellanerde weiße Streifen auf seinen nackten Oberkörper gemalt. Angélique erinnerte sich, dass er das Gleiche auch in Toulouse gemacht hatte, an Festtagen etwa oder bei wichtigen Experimenten im Laboratorium. Aber bei seinem Auftauchen in dieser wunderlichen Prozession ging ein Raunen durch das Publikum, in dem sich Überraschung mit Entsetzen mischte.
    Â 
    Angélique hingegen stieß einen Seufzer der Erleichterung aus. Tränen stiegen ihr in die Augen.

    Oh, diese tapferen Leute, dachte sie mit einem Blick zu Fritz Hauer und Kouassi-Ba. Dabei wissen sie ganz genau, wie gefährlich es für sie ist, ihrem Herrn zu Hilfe zu kommen.
    Nachdem die Träger ihre Pakete abgestellt hatten, gingen sie wieder hinaus. Nur der alte Sachse und der Mohr blieben zurück. Sie begannen die Ballen auszupacken und bauten einen tragbaren Schmelzofen sowie fußbetriebene Blasebälge auf. Daneben stellten sie zwei Schmelztiegel und eine große Kupelle aus Knochenasche. Dann öffnete der Sachse zwei Säcke. Aus dem einen zog er mühsam einen schweren schwarzen Fladen, der wie Schlacke aussah, und aus dem anderen einen Barren, bei dem es sich offenbar um Blei handelte.
    Â 
    Daraufhin erhob sich Desgrez’ Stimme.
    Â»Dem einhellig geäußerten Wunsch der Richter entsprechend, alles zu sehen und alles zu hören, was den

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