Angélique - Die junge Marquise - Golon, A: Angélique - Die junge Marquise - Angélique 01. Marquise des Anges
gingen zwölf Stege aus Edelsteinen, Diamanten und Perlen aus, welche an der Spitze zusammentrafen. Darüber erhob sich eine Lilie aus Gold und ein aus Edelsteinen gebildetes Kreuz. Außerdem überreichte man ihm eine leichtere Krone aus ziseliertem Gold, seine persönliche Krone, die er tragen würde, um sich dem Volk zu zeigen und an den prunkvollen Zeremonien und Feiern teilzunehmen.
Danach begab er sich in einer feierlichen Prozession zum zwischen Reims und Laon gelegenen Dorf Corbény, wo die Reliquien des heiligen Markulf, des großen Wundertäters, wachen. Und dort erhielt er »obendrein« noch die Gabe, Skrofeln zu heilen.
Schöner als je zuvor zog König Ludwig XIV. unter den enthusiastischen Beifallsrufen seiner gerührten Untertanen in Paris ein.
Nur der Prinz von Condé blieb rebellisch und sollte noch lange Jahre an der Spitze der spanischen Armeen gegen die französischen Truppen und Turenne kämpfen. Aber die Fronde war zu Ende. Mazarin blieb der große Sieger in einem entsetzlichen, wahnwitzigen Bürgerkrieg. Man sah seine rote Robe
wieder in den Gängen des Louvre, aber es gab keine »Mazarinaden« mehr. Alle waren am Ende ihrer Kräfte.
Angélique wusste, dass das Dorf Monteloup beinahe vollständig zerstört worden war. Im Schloss hatten sogar Offiziere Quartier genommen, doch eine Anweisung, die, wie man vermutete, vom Prinzen von Condé persönlich gekommen war, hatte sie dazu bewogen, es dem Baron und seiner Familie gegenüber nicht an Höflichkeit mangeln zu lassen, und so behielt man sie in nicht allzu schlechter Erinnerung. Im Gegenzug hatten die Truppen aber kurzerhand die Hälfte der Maultiere mitgenommen. Trotzdem wurde Angéliques Kostgeld immer pünktlich geschickt, was zeigte, dass es Molines gelungen war, den Baron trotz aller Widrigkeiten weiter zu unterstützen.
Kurz vor Angéliques siebzehntem Geburtstag erfuhr sie, dass ihre Mutter gestorben war. Sie betete viel in der Kapelle, weinte aber nicht.
Es fiel ihr schwer zu begreifen, dass sie die Gestalt in dem grauen Kleid und dem schwarzen Kopftuch, auf dem im Sommer ein aus der Mode gekommener Strohhut saß, nie mehr vorbeigehen sehen würde. Als Hüterin der Obst- und Gemüsegärten hatte Madame de Sancé ihren Birnbäumen und Kohlköpfen vielleicht mehr Sorge und Zärtlichkeit gewidmet als ihren zahlreichen Kindern. Aber sie hatte ihnen ein wertvolles Erbe hinterlassen.
Während die begüterten adligen Damen in ihren Parks Labyrinthe und Wasserspiele anlegten, hatte sie ihren Ehrgeiz auf einen handfesteren Bereich gerichtet. Ihr Obst und Gemüse war das schönste in der ganzen Umgebung, und dank ihr waren Angélique und ihre Geschwister nicht mit Brei und Wild gemästet worden, sondern hatten eine gesunde Kost mit viel Salat und Früchtekompott genossen, die ihnen allen eine frische Farbe und eine robuste Gesundheit beschert hatte.
Das sind Wohltaten, die man in ihrem Alter kaum zu würdigen weiß. Madame de Sancé hatte eine sanfte Stimme gehabt, aber nur wenig gesprochen. Sie hatte ihre Kinder inmitten der anstrengenden Aufgaben des Lebens erzogen, doch diese hatten sie nur selten gesehen, und aufgrund ihrer Bescheidenheit waren sie sich ihrer oft gar nicht bewusst geworden. All das Gute, das sie für sie tat, war ihnen selbstverständlich erschienen.
Aber als Angélique abends in ihrem schmalen Bett lag, kam ihr unvermittelt der Gedanke, dass es diese stille, heimlich seufzende Frau gewesen war, die sie unter ihrem Herzen getragen hatte.
Diese Vorstellung berührte sie, und sie legte eine Hand auf ihren jungen, straffen Bauch. War es denn möglich, dass aus einem so beengten Raum ein Kind voller Leben geboren werden konnte? Elf Kinder hintereinander, manchmal sogar noch mehr? Und die Kinder gingen fort, erst in die Arme der Amme, dann hinaus in die Welt, nach Amerika, in eine Ehe oder in den Tod. Sie dachte an ihre Schwester Madelon, dieses eigenartige, blasse Wesen. Seit sie den Schoß ihrer Mutter verlassen hatte, hatte sie nur Schrecken und Angst gekannt. Die Geschichten der Amme ließen sie erschauern. Sie hatte in einer Fantasiewelt gelebt, die sehr viel furchterregender war als die Realität, und niemand hatte ihr geholfen.
Wenn ich einmal ein Kind habe, dachte Angélique, dann werde ich es nicht fern von mir sterben lassen. Ich werde es lieben! Oh, wie ich es lieben werde, und ich werde es den ganzen Tag in den Armen halten!
Aus diesem Anlass sah Angélique auch ihre beiden Brüder Raymond und Denis
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