Angélique - Die junge Marquise - Golon, A: Angélique - Die junge Marquise - Angélique 01. Marquise des Anges
gesehen? Man könnte ihn für einen richtigen Mauren halten!«
Unvermittelt fügte er hinzu: »Graf de Peyrac de Morens d’Irristu hat um deine Hand angehalten.«
»Um meine Hand?«, entgegnete Angélique. »Aber ich kenne ihn doch gar nicht!«
»Das macht nichts. Molines kennt ihn, und das ist das Wichtigste. Er hat mir versichert, dass ich mir keine schmeichelhaftere Verbindung für eine meiner Töchter wünschen könnte.«
Baron Armand strahlte vor Freude. Mit der Spitze seines Gehstocks köpfte er ein paar Primeln, die am Hang neben dem Hohlweg wuchsen, durch den er an diesem milden Aprilmorgen mit seiner Tochter spazierte.
Angélique war am vergangenen Abend zusammen mit Guillaume und ihrem Bruder Denis in Monteloup eingetroffen. Als sie sich darüber gewundert hatte, dass der Junge nicht in der Schule war, hatte er ihr erzählt, dass er Sonderurlaub bekommen habe, um bei ihrer Hochzeit dabei zu sein.
Sie musste sich eingestehen, dass das Wiedersehen mit Monteloup nicht so freudig gewesen war, wie sie es sich erhofft hatte. Alles war ihr anders erschienen, weniger lebendig als früher, obwohl inzwischen viel mehr Leute im Schloss ein und aus gingen. Es waren Knechte und Mägde für die neuen Ställe und Scheunen, aber sie kannte niemanden von ihnen.
Nach dem Tod ihrer Mutter hatte es sie beinahe überrascht, ihre beiden Tanten im Schloss vorzufinden. Pulchérie hatte sich kaum verändert. Sie zitterte vor Freude, aber sie war so mager geworden, dass Angélique, die inzwischen genauso groß war wie sie, fast fürchtete, sie zu zerbrechen, als sie sie mit ihrer jugendlichen Kraft umarmte. Tante Jeanne hingegen saß immer noch in der gleichen Ecke des großen Salons hinter ihrem Stickrahmen und stach mit grimmiger Entschlossenheit ununterbrochen mit der Nadel durch den Stoff.
Als Kind, das durch die Umgebung tollte und dessen Gedanken mit tausend Vorhaben ausgefüllt waren, hatte Angélique kaum auf das verbitterte Grummeln und die unfreundlichen Bemerkungen ihrer Tante geachtet. Die dicke, schlecht gelaunte Frau gehörte einfach zur Einrichtung. Doch in der aufgewühlten, wehmütigen Stimmung ihrer Rückkehr empfand
Angélique die ungeheure Boshaftigkeit, die Tante Jeanne in einen einzigen über den Rand ihrer Stickerei geworfenen Blick legen konnte, umso deutlicher. Im Gegenzug ein freundliches Wort an sie zu richten verlangte eine Überwindung, zu der Angélique nicht bereit war. Nach der unumgänglichen Begrüßung und einer flüchtigen Verneigung zog sie sich zurück und ließ sie mit ihrer Nadel und ihrer Wolle in der Ecke sitzen.
Denis’ Andeutungen über ihre geplante Hochzeit hatten sie verwirrt. Sie erkannte das Schloss wieder, aber es wirkte leer. Und das lag nicht nur am Verlust ihrer Mutter.
Ihre Brüder...? Die Jüngeren waren größer geworden, und sie verwechselte sie miteinander. Der »kleine« Denis, wie sie ihn früher alle genannt hatten, war inzwischen fünfzehn Jahre alt.
»Wo ist Gontran?«, fragte sie Marie-Agnès unvermittelt.
Das kleine Mädchen wunderte sich.
Für sie gehörte Gontran zweifellos zu den »Großen«, die weit fort lebten und bei den Ursulinen oder den Jesuiten die Schule besuchten. Sie kannte sie kaum. Aber sie war ein aufgewecktes Kind und wollte ihrer bewunderten älteren Schwester gefallen.
Während Angélique darauf wartete, dass die Kleine zurückkam, fiel ihr wieder ein, dass ihr Bruder Raymond, als er gekommen war, um ihr vom Tod ihrer Mutter zu berichten, auch erwähnt hatte, dass Gontran nach Paris gegangen war, um dort einen Beruf zu erlernen.
Im Laufschritt kehrte Marie-Agnès zurück.
»Er ist weggegangen!«, erklärte sie. »Aber keiner weiß, wohin.«
Das schien zu bestätigen, dass er nichts mehr hatte von sich hören lassen.
Als sie an diesem Morgen mit ihrem Vater spazieren ging, mied sie das Thema Gontran, denn sie ahnte, dass es ihm Kummer
bereiten würde. Außerdem hatten sie etwas anderes zu besprechen. Was ist das bloß für eine Geschichte mit dieser Heirat, fragte sie sich.
Sie nahm die Sache noch nicht wirklich ernst, doch allmählich begann der bestimmte Ton des Barons sie zu verunsichern. Er hatte sich während der vergangenen Jahre nicht sehr verändert. Nur ein paar graue Fäden mischten sich in seinen Schnurrbart und das kleine Haarbüschel, das er nach der Mode der Zeit Ludwigs XIII. unter der Lippe trug. Angélique, die erwartet hatte, ihn nach dem Tod seiner Frau gramgebeugt und unsicher anzutreffen, wunderte sich, ihn
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