Angélique - Die junge Marquise - Golon, A: Angélique - Die junge Marquise - Angélique 01. Marquise des Anges
gesagt. Euer Vater käme vielleicht ins Gefängnis, weil er seine Schulden nicht mehr bezahlen kann... und möglicherweise wäre meine eigene Lage auch nicht viel besser. Es genügt schon sehr wenig, damit unser ganzes schönes Gebäude einstürzt, denn bereits jetzt steht es nur aufrecht, weil sich Monsieur de Peyrac darauf verlässt, in absehbarer Zeit die Mine von Argentières zu bekommen. Und er ist kein Mann, der sich über den Tisch ziehen lässt.«
Diesmal gab es keinen Ausweg mehr.
Die Falle schloss sich um sie... Weil sie kapitulierte.
Wem würde sie jemals die Gründe für ihr Aufbegehren und ihre Angst erklären können? Wer würde verstehen, welches Opfer man damit von ihr verlangte? Wusste sie selbst es überhaupt?
Molines sah ungerührt zu, wie sie mit sich rang.
Sie dachte, sie würde ihn hassen, aber sie konnte ihm keine Vorwürfe machen, genauso wenig wie ihrem Vater. Er hatte ihr die Wahrheit gesagt. In Anbetracht der zahllosen Hindernisse, die die beiden Männer im Laufe der Jahre überwunden hatten, musste sie anerkennen, dass es ein perfekt geplantes Geschäft war. Und selbst wenn es auf den ersten Blick wie Betrug erscheinen mochte, war es letztendlich doch ehrlich, da es allen nur Vorteile brachte.
Und mit einem Mal wurde ihr klar, dass nun alles auf sie
ankam. Von ihr hing es ab, ob ihr mutiger, rechtschaffener Vater endlich den Erfolg seiner Bemühungen sehen würde und Monteloup für alle Zeiten gerettet wäre. Und was noch viel unfassbarer war, von ihr allein hing es ab, ob der raffinierte, weitblickende Molines bei diesem Wagnis, das er mit der Maultierzucht und der Wiederinbetriebnahme der aufgegebenen Mine eingegangen war, gewinnen oder verlieren würde...
Der hugenottische Verwalter hatte sie damals aus dem Elend gerettet. Jetzt war der Moment gekommen, diese Schuld abzuzahlen.
Angélique stand auf.
»Einverstanden, Monsieur Molines«, sagte sie mit tonloser Stimme. »Ich werde den Grafen de Peyrac heiraten.«
Kapitel 16
A m liebsten wäre Angélique gleich wieder aufs Pferd gestiegen. Aber aus Höflichkeit gegenüber ihrem Gastgeber und auch weil sie das Bedürfnis verspürte, erst wieder ein wenig zu Kräften zu kommen, war sie der Versuchung erlegen, doch ein paar von den kleinen Kuchen zu essen und »einen Schluck Wein« zu trinken.
Daraufhin war natürlich Madame Molines herbeigeeilt und hatte sie eingeladen, mit ihnen zu Mittag zu essen, auch wenn es dafür schon etwas spät geworden war. Vertraut, mütterlich und umweht von den köstlichen Düften ihres wunderbar gelungenen Obstkuchens, verbreitete Madame Molines eine wohlwollende, tröstliche Atmosphäre. Sie wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel, als sie den Tod der Baronin de Sancé erwähnte, der sie ebenso wie alle anderen in der Umgebung sehr getroffen hatte. Angélique war gerührt, und im Stillen wunderte sie sich, denn hieß es nicht allgemein, die Anhänger der reformierten Religion seien kühl und herzlos? Doch diese beiden Menschen hier standen ihr wegen des Interesses, das sie ihrer Familie schon immer entgegengebracht hatten, nahe. Und so kam ihr spontan eine Frage über die Lippen.
»Monsieur Molines, könnt Ihr mir vielleicht sagen, was aus meinem Bruder Gontran geworden ist?«
»Leider nicht, Mademoiselle. Er ist vor fast vier Jahren fortgegangen. Er weigerte sich, in den Dienst des Königs zu treten, obwohl die Einkünfte Eures Vaters ihm damals ermöglicht hätten, ihn mit einer vielleicht bescheidenen, aber ausreichenden
militärischen Ausrüstung zu versorgen. Danach wäre es an ihm selbst gewesen, sich durch Eifer und Tapferkeit Anerkennung zu verdienen. Aber er wollte nichts davon hören. Er sagte, er wolle Maler werden.«
»Maler?! Ein Handwerker...?!«
»Ja! Und dieser Wunsch hat Euren Eltern damals großen Kummer bereitet.«
So war nach ihrem ältesten Bruder Josselin also auch Gontran fortgegangen, ohne sich von den Bindungen seiner Herkunft aufhalten zu lassen. Während Molines sprach, durchlief Angélique ein flüchtiger Schauer. Unwillkürlich kam ihr der Gedanke, dass sich ihre beiden Brüder durch diesen Bruch mit ihrer Familie zu einem verhängnisvollen Schicksal verdammt hatten.
Das Herz wurde ihr noch schwerer.
Sie ritt über duftende Wege zurück nach Monteloup, doch sie war so tief in Gedanken versunken, dass sie nichts um sich herum wahrnahm. Nicolas folgte ihr auf seinem Maultier, aber sie achtete nicht auf den jungen Knecht. Im Gegenzug versuchte sie jedoch,
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