Angélique - Die junge Marquise - Golon, A: Angélique - Die junge Marquise - Angélique 01. Marquise des Anges
von siebzehnhundert Livres jährlich »es ihm nicht erlaubt habe, weiter im Dienst zu verbleiben«. Er erwähnte auch, dass er zwei alte Tanten zu Lasten habe, »die mangels Mitgift weder einen Ehemann noch ein Kloster gefunden hatten, das bereit gewesen wäre, sie aufzunehmen, und die bei bescheidenen Arbeiten dahinwelkten«. Dass er vier Domestiken beschäftige, darunter einen alten rentenlosen Soldaten, den er in seinen Diensten benötige. Seine beiden ältesten Söhne besuchten die Klosterschule, und
ihre Ausbildung koste allein fünfhundert Livres. Eine Tochter müsse ebenfalls ins Kloster geschickt werden, aber dort verlange man wiederum dreihundert Livres.
Er schloss mit der Bemerkung, dass er seit Jahren die Steuern seiner Pachtbauern übernommen habe, um sie auf seinem Land zu halten, und dennoch sähe er sich bei der Steuerbehörde verschuldet, die allein für das laufende Jahr achthundertfünfundsiebzig Livres, neunzehn Sols und elf Deniers von ihm verlange. Jedoch beliefen sich seine gesamten Einkünfte auf kaum viertausend Livres im Jahr, wovon er neunzehn Personen ernähren und gleichzeitig ein standesgemäßes Leben führen müsse. Und nun hätte zu allem Unglück auch noch eine marodierende Räuberbande auf seinen Ländereien geplündert, gemordet und alles verwüstet und dadurch seine überlebenden Pächter in noch größeres Elend gestürzt. Zum Schluss erbat er vom König allergütigsten Erlass der verlangten Steuern und eine Unterstützung oder einen Vorschuss von mindestens tausend Livres. Außerdem ersuchte er um die »königliche Gunst«, seinen ältesten Sohn, der bei den Augustinerpatres – denen er im Übrigen ein Jahr Kostgeld schuldig sei – die Logikklasse besuche, als Fähnrich in seinen Dienst zu nehmen, wenn Schiffe nach Amerika oder Indien ausgerüstet würden.
Er fügte hinzu, dass er selbst jederzeit bereit sei, gleich welches Amt zu übernehmen, das mit seinem adligen Stand vereinbar sei, sofern es ihm ermögliche, die Seinen zu ernähren, da seine Ländereien ihm dies nicht einmal mehr erlauben würden, wenn er sie verkaufte …
Nachdem Armand de Sancé dieses lange Schreiben, das ihn mehrere Stunden Arbeit gekostet hatte, zum Trocknen mit Sand betreut hatte, verfasste er noch eine kurze Nachricht an seinen Gönner und Cousin, den Marquis du Plessis-Bellière, und beauftragte ihn, diese Bittschrift mit den entsprechenden Empfehlungen dem König persönlich oder der Königinmutter
auszuhändigen, sodass man geneigt wäre, ihm seine Bitte zu gewähren.
»Ich würde mich freuen, Monsieur«, schloss er höflich, »Euch recht bald wiederzusehen und eine Möglichkeit zu finden, Euch in dieser Provinz nützlich zu sein, sei es mit einigen meiner schönen Maultiere oder mit Obst, Kastanien, Käse und Dickmilch für Eure Tafel.«
Ein paar Monate später konnte der unglückliche Baron de Sancé seiner Liste weiteren Verdruss hinzufügen.
Eines Abends hörte man den Hufschlag eines galoppierenden Pferds auf dem Weg und dann auf der wie üblich mit Truthähnen verzierten alten Zugbrücke. Im Hof bellten die Hunde. Angélique, die von Pulchérie nur mit Mühe in ihrem Zimmer festgehalten werden konnte, wo sie sich mit einigen Nadelarbeiten beschäftigen sollte, rannte ans Fenster.
Sie sah ein Pferd, von dem zwei groß gewachsene, magere, schwarz gekleidete Reiter absaßen, während im Durchgang ein von einem Bauernjungen geführtes, mit Truhen beladenes Maultier auftauchte.
»Tante! Hortense!«, rief sie. »Kommt schnell her. Ich glaube, es sind unsere Brüder Josselin und Raymond.«
Die beiden kleinen Mädchen und die alte Tante hasteten nach unten. Sie erreichten den Salon, als die beiden Schüler gerade ihren Großvater und Tante Jeanne begrüßten. Von überallher eilten die Bediensteten herbei. Man war bereits losgelaufen, um Baron Armand von den Feldern und Madame aus dem Gemüsegarten zu holen.
Die beiden Jungen reagierten äußerst unwirsch auf diesen Willkommenstrubel.
Sie waren fünfzehn und sechzehn Jahre alt, wurden aber häufig für Zwillinge gehalten, da sie gleich groß waren und einander sehr ähnlich sahen. Sie hatten beide den gleichen dunklen
Teint, die gleichen grauen Augen und das gleiche schwarze, struppige Haar, das auf den zerknitterten, schmutzig weißen Kragen ihrer Schülertracht hinabhing. Nur ihr Gesichtsausdruck war unterschiedlich. Josselins Züge waren härter, die von Raymond eher verschlossen. Während sie einsilbig auf die Fragen ihres
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