Angélique - Die junge Marquise - Golon, A: Angélique - Die junge Marquise - Angélique 01. Marquise des Anges
»Auch wenn es ein tapferer Mönch war, der Heinrich IV. getötet hat.«
»Halt den Mund, Josselin«, mischte sich Angélique unvermittelt ein. »Reden ist nicht gerade deine Stärke, und wenn du sprichst, siehst du aus wie eine Kröte. Außerdem war es Heinrich III., der von einem Mönch umgebracht wurde, nicht Heinrich IV.«
Der junge Bursche zuckte zusammen und musterte verwundert
das kleine Mädchen mit dem lockigen Haar, das ihn so ruhig zurechtwies.
»Ach, du bist das, Frosch, die Sumpfprinzessin! ›Marquise der Engel‹... Und ich habe nicht einmal daran gedacht, dich zu begrüßen, kleine Schwester.«
»Warum nennst du mich Frosch?«
»Weil du mich eine Kröte genannt hast. Und verkriechst du dich etwa nicht ständig im Gras und Schilf der Sümpfe? Oder bist du jetzt genauso brav und hochnäsig geworden wie Hortense?«
»Ich hoffe nicht«, entgegnete Angélique bescheiden.
Ihr Einschreiten hatte die Anspannung gelockert. Inzwischen hatten ihre Brüder aufgegessen, und die Amme räumte den Tisch ab.
Trotzdem blieb die Stimmung gedrückt. Ratlos grübelten alle über eine Lösung für diesen neuerlichen Schicksalsschlag. In der Stille hörte man das laute Weinen des jüngsten Säuglings. Die Mutter, die Tanten und sogar Gontran nutzten diesen Vorwand, »um nach ihm zu sehen«. Aber Angélique blieb bei den beiden Baronen und ihren älteren Brüdern, die in so kümmerlichem Aufzug aus der Stadt zurückgekommen waren.
Sie fragte sich, ob sie diesmal ihre Ehre verlieren würden. Am liebsten hätte sie danach gefragt, doch sie wagte es nicht. Ihre Brüder hingegen erfüllten sie mit einem Gefühl, das wie leicht geringschätziges Mitleid anmutete.
Der alte Lützen, der bei der Ankunft der Jungen nicht dabei gewesen war, brachte zu Ehren der Reisenden neue Kerzenleuchter. Er verschüttete ein wenig Wachs, als er den Älteren unbeholfen umarmte. Der Jüngere wehrte die ruppige Begrüßung verächtlich ab. Doch ohne sich davon aus der Fassung bringen zu lassen, tat der alte Soldat freimütig seine Ansicht kund: »Es wird ja auch höchste Zeit, dass Ihr nach Hause
kommt! Wozu soll es überhaupt gut sein, lateinische Lektionen herunterzubeten und Eure eigene Sprache kaum schreiben zu können? Als Fantine mir erzählt hat, dass die jungen Herren endgültig nach Hause gekommen sind, habe ich mir gleich gesagt, dass Monsieur Josselin jetzt endlich zur See fahren kann...«
»Sergeant Lützen, muss ich dich an die alte Soldatendisziplin erinnern?«, unterbrach ihn der alte Baron scharf.
Guillaume beharrte nicht länger darauf und schwieg. Angélique war verblüfft über den hochmütigen, erregten Ton ihres Großvaters. Dieser wandte sich an den Ältesten.
»Ich hoffe, du hast diese Kinderträume endlich aufgegeben, Josselin, und willst nicht länger Seefahrer werden?«
»Warum sollte ich diesen Traum aufgeben, Großvater? Mir scheint sogar, dass es für mich jetzt gar keine andere Lösung mehr gibt.«
»Solange ich lebe, wirst du kein Seemann werden. Alles, aber nicht das!« Und der alte Mann hieb mit seinem Stock auf die schartigen Fliesen.
Josselin wirkte bestürzt über die plötzliche Unnachgiebigkeit seines Großvaters. Sein Wunsch, zur See zu fahren, hatte ihm dabei geholfen, den Rauswurf aus der Schule ohne allzu große Bitterkeit hinzunehmen.
»Jetzt ist es vorbei mit den Paternostern und den lateinischen Lektionen. Jetzt bin ich ein Mann und trete den Dienst auf einem Schiff des Königs an«, hatte er zu Raymond gesagt.
Armand de Sancé versuchte zu vermitteln.
»Aber, Vater, was soll denn diese starre Haltung? Diese Lösung wäre vielleicht ebenso gut wie jede andere. In dem Bittschreiben, das ich dem König vor einiger Zeit gesandt habe, habe ich sogar unter anderem darum gebeten, meinem ältesten Sohn den Dienst auf einem Kaper- oder Kriegsschiff zu ermöglichen.«
Aber der alte Baron rutschte zornig hin und her. Noch nie hatte Angélique ihn so wütend gesehen, nicht einmal an dem Tag, als er die Auseinandersetzung mit dem Steuereintreiber gehabt hatte.
»Ich habe etwas gegen Leute, denen auf dem Grund und Boden ihrer Väter die Füße verbrennen. Auf der anderen Seite der Meere werden sie nie goldene Berge finden, sondern nur nackte Wilde mit bemalten Armen. Der älteste Sohn eines Adligen dient in der Armee und Schluss.«
»Ich will ja gar nichts anderes, als dem König dienen, aber eben auf See«, erwiderte der Junge.
»Josselin ist sechzehn Jahre alt. Da ist es schließlich an der
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