Angélique - Die junge Marquise - Golon, A: Angélique - Die junge Marquise - Angélique 01. Marquise des Anges
Kleid. Freudig zog sie es an. Die Tante schlug gerührt die Hände zusammen.
»Meine kleine Angélique, du siehst aus wie eine richtige junge Dame. Vielleicht sollten wir dir die Haare hochstecken?«
Doch Angélique lehnte ab. Ihr weiblicher Instinkt warnte sie davor, den Glanz ihres einzigen Schmucks zu mindern.
Sie bestieg ein hübsches rotbraunes Maultier, das ihr Vater für sie hatte satteln lassen, und machte sich an seiner Seite auf den Weg zum Schloss Plessis!
Das Schloss war aus seinem Zauberschlaf erwacht. Der Baron und seine Tochter hatten ihre Reittiere beim Verwalter Molines gelassen, und als sie nun die Hauptallee entlanggingen, wehte ihnen Musik entgegen. Windhunde und hübsche Griffons tollten über die Rasenflächen. Herren mit lockigem Haar und Damen in schimmernden Kleidern flanierten durch die Alleen. Manche von ihnen warfen dem in dunkles grobes Tuch gewandeten Provinzedelmann und seiner wie eine Klosterschülerin gekleideten Tochter verwunderte Blicke zu.
»Lächerlich, aber ganz hübsch«, bemerkte eine der Damen, während sie mit ihrem Fächer spielte.
Angélique fragte sich, ob damit wohl sie gemeint war. Warum bezeichneten sie sie als lächerlich? Sie musterte die prächtigen Roben mit ihren lebhaften Farben und ihrem Spitzenbesatz genauer und begann ihr graues Kleid unpassend zu finden.
Baron Armand teilte die Verlegenheit seiner Tochter nicht. Er war in Gedanken bei der Unterredung, um die er den Marquis du Plessis bitten wollte. Im Grunde sollte es für einen Angehörigen des höheren Adels, zu dem auch der gegenwärtige Baron de Ridoué de Sancé de Monteloup gehörte, ein Leichtes sein, eine vollständige Steuerbefreiung auf ein Viertel der Erzeugnisse einer Maultierzucht und einer Bleimine zu erhalten. Aber der arme Landjunker erkannte, dass das Leben fernab des Hofes ihn ebenso linkisch hatte werden lassen wie einen einfachen Bürgerlichen, und er fand sich kaum zurecht zwischen all den Damen und Herren, deren gepudertes Haar, parfümierter Atem und lautes Geschnatter ihn völlig verwirrten. Wehmütig dachte er an die Zeit von Ludwig XIII. zurück, als man, wie er sich zu erinnern glaubte, noch mehr Wert auf Schlichtheit legte, und rief sich vergangene Freundschaften ins Gedächtnis, während er sich, gefolgt von Angélique, einen Weg durch die bändergeschmückte Gesellschaft bahnte.
Auf einem kleinen Podest saßen Musiker und entlockten
ihren Drehleiern, Lauten, Oboen und Flöten helle, liebliche Töne. In einem großen, mit Spiegeln geschmückten Saal erblickte Angélique tanzende junge Leute. Sie fragte sich, ob ihr Cousin Philippe wohl bei ihnen war.
Unterdessen hatte der Baron de Sancé den letzten der aneinandergereihten Salons erreicht und verneigte sich, wobei er seinen alten Filzhut mit der schäbigen Feder abnahm. Diese Geste verursachte Angélique beinahe körperliche Qualen. Bei unserer Armut, dachte sie, wäre Arroganz die einzige Rettung. Statt in den tiefen Knicks zu versinken, den Pulchérie sie zu Hause noch dreimal hatte üben lassen, blieb sie steif stehen, als wäre sie eine hölzerne Marionette, und blickte ungerührt geradeaus. Die Gesichter ringsum verschwammen ein wenig vor ihren Augen, aber sie wusste, dass alle bei ihrem Anblick am liebsten laut losgelacht hätten.
Nach der Ankündigung des Lakaien – »Baron de Ridoué de Sancé de Monteloup« – hatte sich ein nur von ersticktem Glucksen unterbrochenes Schweigen auf den Raum herabgesenkt.
Das Gesicht der Marquise du Plessis verfärbte sich hinter ihrem Fächer tiefrot, und ihre Augen blitzten vor unterdrückter Heiterkeit. Der Marquis rettete die Situation, indem er liebenswürdig vortrat.
»Mein lieber Cousin«, rief er, »es freut uns ungemein, dass Ihr uns Eure reizende Tochter so schnell herbringt. Angélique, Ihr seid noch hübscher als bei meinem letzten Besuch. Nicht wahr? Sieht sie nicht aus wie ein Engel?«, fragte er, wobei er sich zu seiner Gemahlin umwandte.
Diese hatte sich wieder gefasst.
»Unbedingt«, stimmte sie ihm zu. »In einem anderen Kleid würde sie himmlisch aussehen. Setzt Euch auf diesen Schemel, mein Kind, damit wir Euch in Ruhe anschauen können.«
»Lieber Marquis«, sagte Armand de Sancé, dessen raue
Stimme in diesem gezierten Salon fehl am Platz klang, »ich würde gerne schnellstmöglich mit Euch über ein paar wichtige Angelegenheiten reden.«
Der Marquis zog verwundert die Augenbrauen hoch.
»Tatsächlich? Worum geht es denn?«
»Ich bedauere, aber
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