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Angélique - In den Gassen von Paris

Angélique - In den Gassen von Paris

Titel: Angélique - In den Gassen von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Golon
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berichten, die Königinmutter sei anwesend gewesen, außerdem Madame d’Orléans und Mademoiselle de Montpensier, der Herzog von Enghien, der Sohn des Prinzen von Condé und eine
ganze Reihe junger Männer und Frauen aus deren Familien.
    Doch sie hatte nichts gesehen außer dem König, der lächelnd auf den Stufen des großen Betts der Königin stand, und große Angst empfunden. Er hatte kaum noch Ähnlichkeit mit dem jungen Mann, der sie in den Tuilerien empfangen hatte und den sie am liebsten an seinem Jabot gepackt und durchgeschüttelt hätte. An diesem Tag hatten sie einander gegenübergestanden wie zwei gleich starke Gegner, die sich einen heftigen Kampf lieferten, bei dem jeder sicher war, den Sieg zu verdienen.
    Wie verblendet sie gewesen war! Wie hatte sie nicht gleich begreifen können, dass sich hinter dem noch empfindsamen, verletzlichen Äußeren in diesem Monarchen ein gefestigter Charakter verbarg, der in seinem ganzen Leben keinerlei Zweifel an seiner Autorität gestatten würde? Es war von Anfang an ausgemacht gewesen, dass der König siegen würde, doch Angélique hatte das nicht erkannt und war zerbrochen worden wie ein Halm.
     
    Sie folgte der Gruppe der Lehrmädchen, die sich zu den Nebengebäuden begaben, um den Palast zu verlassen. Die Innungsmeisterinnen blieben noch, um an einem großen Festmahl teilzunehmen, doch dazu waren die Lehrlinge nicht eingeladen.
    Als Angélique die Räume durchquerte, in denen die fertig angerichteten Platten mit Süßigkeiten oder Fleisch darauf warteten, in die Säle getragen zu werden, hörte sie hinter sich ein Pfeifen; einen langen Pfiff und zwei kurze Töne. Sie erkannte das Signal von Calembredaines Bande und glaubte zu träumen. Hier, im Louvre…?
    Sie wandte sich um. In einem Türrahmen stand eine kleine Gestalt, deren Schatten auf die Bodenfliesen fiel.

    »Barcarole!«
    Aufrichtig erfreut lief sie auf ihn zu. Der Zwerg blies sich würdevoll und stolz auf.
    »Tretet ein, Schwesterchen. Tretet ein, teure Marquise. Kommt, lasst uns ein wenig plauschen.«
    Sie lachte.
    »Oh, Barcarole, wie schön du bist! Und wie gepflegt du sprichst!«
    »Ich bin ja auch der Zwerg der Königin«, erklärte Barcarole selbstzufrieden.
     
    Er führte sie in eine Art kleinen Salon und ließ sie seinen seidenen Rock bewundern, der halb orange und halb gelb war und mit einem mit Schellen besetzten Gürtel geschlossen wurde. Er vollführte eine Reihe Kapriolen, um ihr die Geräusche, die er damit erzeugte, vorzuführen. Mit seinem auf der Höhe seiner breiten, gefältelten Halskrause im Nacken geschnittenen Haar und seinem liebenswürdigen, sorgfältig rasierten Gesicht wirkte der Zwerg glücklich und gut aufgelegt. Angélique erklärte, er komme ihr verjüngt vor.
    »Meiner Treu, so ungefähr fühle ich mich hier auch«, gestand Barcarole bescheiden. »Das Leben ist recht angenehm, und ich glaube, alles in allem bin ich bei den Menschen in diesem Haus wohlgelitten. Ich bin glücklich, in meinem Alter die Krönung meiner Laufbahn erreicht zu haben.«
    »Wie alt bist du eigentlich, Barcarole?«
    »Fünfunddreißig. Das ist der Gipfel der Reife und die Blüte aller moralischen und körperlichen Qualitäten eines Mannes. Komm doch, mein Schwesterchen. Ich muss dich einer edlen Dame vorstellen, bei der ich dir nicht verhehlen will, dass ich zärtliche Zuneigung zu ihr empfinde … die sie im Übrigen erwidert.«

     
    Mit der Miene eines siegreichen Liebhabers geleitete der Zwerg Angélique unter geheimnisvollem Gebaren durch das dunkle Labyrinth der Dienstbotenquartiere des Louvre.
    Er führte Angélique in einen halbdunklen Raum, in dem sie hinter einem Tisch eine Frau von etwa vierzig Jahren sitzen sah. Sie war außerordentlich hässlich und dunkel und bereitete auf einem kleinen Kocher aus vergoldetem Silber etwas zu.
    »Doña Teresita, ich stelle Euch Doña Angélica vor, die schönste Madonna von Paris«, verkündete Barcarole bombastisch.
    Die Frau bedachte Angélique mit einem düsteren, durchdringenden Blick und sagte einen Satz auf Spanisch, aus dem man die Worte »Marquise der Engel« heraushören konnte. Barcarole zwinkerte Angélique zu.
    »Sie will wissen, ob du vielleicht diese Marquise der Engel bist, von der ich ihr ohne Unterlass erzähle. Wie du siehst, Schwesterchen, vergesse ich meine Freunde nicht.«
     
    Sie waren um den Tisch herumgetreten, und Angélique erkannte, dass Doña Teresitas winzige Füßchen kaum über den Rand des Schemels, auf dem sie saß,

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