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Angélique - In den Gassen von Paris

Angélique - In den Gassen von Paris

Titel: Angélique - In den Gassen von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Golon
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Gäste blieben mehr und mehr aus.
     
    Angélique war besorgt, weil die Feiertage nicht den erhofften Gewinn eingebracht hatten. Aber – Gott sei’s gelobt! –die kleine Truppe des Kecken Hahns litt keine Not. Sie beglückwünschte sich dazu, dass sie ihre Söhne in den Schutz einer Bratküche geführt hatte. Wenn nicht, wären sie im Lauf dieser tragischen Monate bestimmt alle Hungers gestorben.
    Erneut litten die Pariser unter dem Hunger und auch unter der Pest, seiner unvermeidlichen Gefährtin. Wieder sah man in den Straßen die Ärzte mit ihren Pestmasken, in deren lange Schnäbel sie als Schutz gegen die Ausdünstungen der Epidemie Kampferstücke und andere Duftstoffe steckten. Wieder sah man die Gruppen der Lazarus-Bruderschaft, die aufopferungsvoll die Leichen bestatteten. Dann kamen die Prozessionen, die himmlischen Beistand erflehten und goldene Schatullen mit heilbringenden Reliquien trugen, während ihre seidenen Banner über den eiskalten Straßen wehten, in denen die von Krankheit, Hunger und Kälte gefällten Toten lagen. Die wichtigste dieser Prozessionen führte von einem Tor zum anderen um die gesamten Stadtmauern herum. Sie war der Heiligen Geneviève gewidmet, die nicht nur die Schutzpatronin von Paris war, sondern auch im Ruf stand, vor Hunger zu schützen. Ihr Fest fiel auf den 3. Januar.
     
    Im Louvre ließ der König importiertes Getreide an die Armen verteilen. Man nannte es das »Korn des Königs«.
    Die Flut der Hungernden, der Zerlumpten und derjenigen, die sich – so, als schämten sie sich – zum Sterben versteckten, wuchs von Tag zu Tag an.

     
    Im Kecken Hahn gingen die Geschäfte gar nicht so übel.
    Viele reiche Gäste, die sich mit ihrer wohlgefüllten Börse fast alles erlauben konnten, suchten Zuflucht in der Rue de la Vallée-de-Misère und waren bereit, für ein gutes Mahl, das dieses Namens würdig war, jeden Preis zu zahlen.
    Sobald Angélique angesichts dieser Lage wieder klar denken konnte, sagte sie sich, es sei geradezu ihre Pflicht, ihren Nutzen daraus zu ziehen, damit die Festsaison nicht in einer finanziellen Katastrophe enden würde. Waren die Preise, die sie den feinen Herren zu Meister Bourjus’ Entsetzen abverlangte, denn nicht noch bescheiden angesichts der Mühe, die es machte, ihnen Geflügel und Bratfleisch zu beschaffen? War es nicht richtig, wenn sie sich für die Gefahren entschädigte, denen sie sich aussetzte, wenn sie, nur von David begleitet, aufs Land fuhr und heimlich Schafe oder Hühner kaufte? Ja, es war nur recht und billig, sich dafür gut bezahlen zu lassen.
    Die Gäste hatten im Übrigen Verständnis dafür. Sie waren reich, aber ihr Gold konnten sie nicht essen; und die Bratköche, Fleischer und Bäcker ermöglichten es ihnen, ihren gewohnten angenehmen Lebensstil fortzuführen.
    Die Armen jedoch wurden immer mehr zur Bedrohung.
     
    Angélique beschloss, Cul-de-Bois aufzusuchen.
    Barcarole hatte dazu geraten. Aber sie wurde fast ohnmächtig bei dem Gedanken, noch einmal vor dem Haus des Großen Coesre zu stehen. Am liebsten hätte sie diesen Albtraum vergessen. Einmal mehr galt es, sich zu beherrschen und eine weitere Schlacht zu bestehen. In einer eisigen, düsteren Nacht begab sie sich nach Faubourg Saint-Denis.
    Man führte sie vor Cul-de-Bois.
    Sie traf ihn im Inneren seines Lehmpalastes an, wo er zwischen rauchenden Öllampen auf einer Art Thron hockte.
Auf dem Boden vor ihm stand die Kupferwanne. Sie warf einen schweren Geldbeutel hinein und zeigte ihm das Geschenk, das sie außerdem mitgebracht hatte: eine gewaltige, schön blutige Hammelschulter und einen Laib Brot, zu der Zeit ein seltenes und gesuchtes Nahrungsmittel.
    »Das wurde aber auch Zeit«, knurrte Cul-de-Bois. »Ich warte schon lange auf dich, Marquise. Ist dir eigentlich klar, dass du ein ziemlich gefährliches Spiel getrieben hast?«
    »Ich weiß, dass ich es dir zu verdanken habe, noch am Leben zu sein.«
     
    Sie trat auf ihn zu. Rechts und links vom Thron des Beinlosen standen die albtraumhaften Gestalten seines Furcht einflößenden Hofstaats: der Große und der Kleine Eunuch mit ihren Narrenzeichen, dem Besen und der Heugabel mit dem darauf aufgespießten toten Hund, und Rot-le-Barbon mit seinem wallenden Bart und seinen Ruten, die ihn als einstigen Zuchtmeister des Kollegiums von Navarra kennzeichneten.
    Cul-de-Bois, der wie immer mit einer makellosen Halsbinde angetan war, trug einen herrlichen Hut mit zwei Reihen roter Federn.
     
    Angélique

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