Angelique und der Koenig
eintrat, schon im Staatsgewand, jedoch noch ohne die dazu passende Perücke. Von Bontemps gefolgt, kam er aus den Gemächern der Königin. Seine Augenbrauen zogen sich unwillig zusammen.
»Noch nicht fertig, Madame? Beeilt Euch. Die moskowitische Gesandtschaft wird sogleich erscheinen. Ich wünsche Euch an meiner Seite zu haben!«
Das schöne Gesicht der Montespan rötete sich. Solchen Ton war sie von ihrem königlichen Liebhaber nicht gewohnt. Er hob die Stimme, um das hysterische Gezeter des Hündchens zu übertönen. »Übrigens, damit ich es nicht vergesse, wir reisen morgen nach Fontainebleau. Trefft rechtzeitig Eure Vorbereitungen.«
»Und ich, Sire?« fragte Mademoiselle de La Vallière.
»Soll ich mich ebenfalls für die Reise nach Fontainebleau vorbereiten?«
Der Monarch warf einen finsteren Blick auf die abgezehrte Gestalt seiner ehemaligen Mätresse.
»Nein«, sagte er grob, »das ist nicht nötig. Bleibt in Versailles... oder geht nach Saint-Germain.«
»Ganz allein? Ohne jede Gesellschaft…?«
Der König packte das Hündchen, das ihn zur Verzweiflung brachte, und schleuderte es ihr auf den Schoß.
»Da! Das ist Eure Gesellschaft. Das muss Euch genügen.«
Wortlos ging er an Angélique vorbei, besann sich jedoch und fragte kurz: »Habt Ihr Euch gestern nach Suresnes begeben?«
»Nein, Sire«, erwiderte sie im gleichen Ton.
»Wo seid Ihr gewesen?«
»Auf dem Jahrmarkt von Saint-Germain.«
»Warum?«
»Um Waffeln zu essen.«
Der König errötete bis zum Haaransatz. Wütend verließ er den Raum, und Bontemps fing diskret die Tür auf, die er hinter sich zuwarf. Madame de Montespan war mit ihren Damen durch die andere Tür verschwunden, um das blaue Atlaskleid zu suchen. Angélique trat zu der leise schluchzenden Mademoiselle de La Vallière.
»Warum lasst Ihr Euch so quälen?« fragte sie mitleidig.
»Warum nehmt Ihr diese Demütigungen hin? Madame de Montespan spielt mit Euch wie die Katze mit der Maus. Eure Fügsamkeit weckt ihre grausamen Instinkte.«
Das arme Mädchen hob seine tränennassen Augen zu ihr auf.
»Auch Ihr habt mich verraten«, sagte sie mit erstickter Stimme.
Bekümmert erwiderte Angélique: »Ihr irrt Euch, Ich habe Euch nicht verraten, und mein Rat ist ehrlich gemeint: Verlasst den Hof. Zieht Euch in Würde zurück. Warum lasst Ihr Euch zum Gespött dieser herzlosen Menschen machen?«
Eine reine Flamme verwandelte für einen Augenblick das verhärmte Gesicht der einstigen Favoritin.
»Meine Schuld war offenkundig, Madame. Und Gott will, dass meine Buße ebenso offenkundig sei.«
»Glaubt Ihr, Gott verlange solche Martern?«
Louise de La Vallière warf einen scheuen Blick auf die Tür, durch die der König den Raum verlassen hatte.
»Vielleicht liebt er mich noch?« flüsterte sie. »Vielleicht kehrt er eines Tages zu mir zurück?«
Angélique versagte es sich, die Schultern zu zucken. Ein Page war eingetreten, der sich vor ihr verneigte.
»Wollet mir folgen, Madame. Seine Majestät wünscht Euch sofort zu sprechen.«
Zwischen dem Schlafzimmer des Königs und dem Beratungssaal befand sich das Perückenkabinett, in dem Ludwig eben unter Assistenz des Hoffriseurs Binet und seiner Gehilfen eine Perücke auswählte. Ringsumher wurden in Glasschränken die verschiedensten Haargebilde auf bewahrt, deren Formen nach ihrer Bestimmung variierten, je nachdem, ob der König zur Messe oder auf die Jagd ging, ob er Botschafter empfing oder einen Spaziergang durch den Park unternahm. Hier und dort waren Köpfe aus Gips aufgestellt, die Anproben und Umgestaltungen dienten.
An diesem Tage bestand Binet darauf, dass sein erhabener Klient die »à la royale« genannte Perücke aufsetzte, ein hoch aufragendes, mähnenartiges, höchst majestätisch wirkendes Gebilde, das eher für Statuen geschaffen schien als für einen lebendigen Menschen.
»Wir wollen sie uns für bedeutsamere Gelegenheiten aufheben«, sagte der König. »Etwa für den Empfang dieses schwierigen persischen Botschafters.«
Er warf einen Blick auf Angélique, die sich verneigte.
»Tretet näher, Madame. Ihr wart gestern in Suresnes, nicht wahr?«
Er hatte zu seiner Höflichkeit zurückgefunden und bemühte sich, Angéliques Gereiztheit zu besänftigen. Als gewiegter Höfling zog sich Binet mit seinen Gehilfen in den Hintergrund des Raumes zurück und machte sich auf die schwierige Suche nach der zweckdienlichsten Perücke.
»Nennt mir die Gründe Eures unziemlichen Benehmens«, sagte der König mit gedämpfter Stimme.
»Ich liebe es zwar,
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