Angelique und der Koenig
gedacht, als ich die Thérèse, deine Zofe, mitten in diesem Hexensabbat auftauchen sah. Jetzt weißt du, was die Montespan für diesmal ausgeheckt hat.«
»Da ich gewarnt bin«, murmelte Angélique, »werde ich die Falle vermeiden. Ich übrigen weiß ich, wen ich um Rat fragen kann.«
Barcarole starrte sie spöttisch an.
»Hast du noch immer nicht genug? Nur einen Rat gibt’s: Auge um Auge, Zahn um Zahn.«
»Schweig still!« schrie Angélique außer sich. Sie nahm eine Figur von der Konsole und warf sie nach ihm. Die Figur zersplitterte an der Wand. Barcarole machte eine Kapriole und verschwand durch die Tür. Sein spöttisches Gelächter hallte noch eine Weile im Gang nach.
Sechsundvierzigstes Kapitel
Als am Abend des folgenden Tages Thérèse mit dem bewussten rosafarbenen Hemd das Schlafzimmer betrat, saß Angélique im Frisiermantel vor ihrem Toilettentisch. Im Spiegel beobachtete sie die Zofe, die die Bettdecke für die Nacht zurückschlug und danach behutsam das Hemd darüberlegte.
»Thérèse!«
»Frau Marquise?«
»Weißt du, dass ich mit dir sehr zufrieden bin?«
Das Mädchen wiegte sich mit einem falschen Lächeln in den Hüften.
»Das freut mich sehr, Frau Marquise.«
»Ich möchte dir deshalb ein kleines Geschenk machen. Du hast es verdient. Da du kokett bist, sollst du das Hemd haben, das du eben gebracht hast. Nimm es.«
Verächtlich horchte sie auf das tiefe Schweigen hinter ihr, dann wandte sie sich um. Das aschfahl gewordene Gesicht des Mädchens war ein schreckliches Geständnis. In einer jähen Regung des Zorns und der Entrüstung sprang Angélique auf.
»Nimm es«, wiederholte sie mit zusammengepressten Zähnen. »Nimm es.«
Mit funkelnden Augen ging sie auf die Zofe zu.
»Du willst es nicht nehmen? Ich weiß, warum! Öffne deine Hände, Verworfene!«
Verstört ließ Thérèse die zerdrückten Platanenblätter fallen, die sie zwischen ihren Fingern verborgen gehalten hatte.
»Die Platanenblätter! Die Platanenblätter des Satans«, schrie Angélique, während sie sie mit dem Absatz zerstampfte. Mit voller Kraft schlug sie dem Mädchen mehrmals ins Gesicht.
»Hinaus! Hinaus! Scher dich zum Satan, deinem Meister!«
Die Arme vor dem Gesicht, stürzte Thérèse heulend davon. Angélique zitterte an allen Gliedern. Javotte, die eine Weile später mit einem Tablett hereinkam, fand sie noch in der Mitte des Raumes stehend, den Blick ins Leere gerichtet. Schweigend stellte das Mädchen die Konfektschale und die Karaffe mit Fruchtsaft auf den Nachttisch.
»Javotte«, sagte Angélique plötzlich, »liebst du David Chaillou noch immer?«
Die Kleine errötete. Ihre sanften grauen Augen richteten sich verschämt auf ihre Herrin.
»Wir haben uns lange nicht mehr gesehen, Frau Marquise.«
»Aber du liebst ihn noch, nicht wahr?«
Javotte senkte seufzend den Kopf.
»Ja. Aber er schaut mich kaum mehr an, Frau Marquise. Er ist ein großer Herr geworden durch sein Restaurant und die Schokoladenstube. Es heißt, dass er die Tochter eines Notars heiraten wird.«
»Die Tochter eines Notars! Was soll ihm die? Eine Frau wie dich braucht der Tor. Du wirst ihn heiraten.«
»Ich bin nicht reich genug für ihn, Madame.«
»Du wirst es sein, Javotte. Dafür lass mich sorgen. Ich werde dir vierhundert Livres Rente geben. Und eine schöne Aussteuer dazu. Laken, Hemden aus Cambraibatist, Damasttischtücher... Du wirst eine so gute Partie sein, dass er aufs neue den Reiz deiner rosigen Wangen und deiner hübschen Nase zu schätzen wissen wird. Ich weiß, dass er dafür nicht unempfindlich ist.«
Die kleine Zofe sah sie strahlend an.
»Das wollt Ihr für mich tun, Madame?«
»Was würde ich nicht für dich tun, Javotte! Du hast meine kleinen Söhne ernährt, als die Amme in Neuilly sie fast hatte verhungern lassen.«
Sie schlang ihre Arme um die runden Schultern des Mädchens, und es tat ihr wohl, diesen jungen Körper an sich zu drücken.
»Bist du brav geblieben, Javotte?«
»Ich habe mein möglichstes getan, Madame. Ich habe zur Jungfrau Maria gebetet. Aber Ihr wisst, wie das ist. Hier, zwischen all diesen schamlosen Lakaien und den schönen Herren, die einem sanfte Augen machen, ist es manchmal schwierig... Wohl habe ich mich küssen lassen... Aber nie habe ich die Sünde begangen.«
Angélique drückte sie noch fester an sich, voller Bewunderung für die Standhaftigkeit dieser Waise inmitten des verderbten Versailles.
»Erinnerst du dich noch, Javotte«, flüsterte sie, »an jenem Abend, als wir uns in dem kleinen Haus in
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