Angels - Meine Rache waehrt ewig
Nacht über an einer Pole-Dancing-Stange geräkelt hatte, um Geld zu verdienen. Geld schien sie mehr zu interessieren als ihr Kind.
Sie hatte es verdient zu sterben.
Sie hatte Glück, dass er hier war, um sie von ihrer erbärmlichen Existenz zu erlösen.
Er hatte gehört, wie sie sich über ihr Leben beklagte, darüber, wie unfair sie vom Schicksal behandelt worden war, aber sie wollte im Grunde nichts verändern. Es war nur leeres Geschwätz gewesen, allein dazu da, sein Mitleid zu erwecken.
Er lächelte und nahm eine Abkürzung, um Trümmern, Ratten und plündernden Hunden auszuweichen.
Heute Abend, dachte er, während das Blut in seinen Adern pulsierte, würde er sie von ihrem Elend erlösen.
Karen war gereizt. Nervös.
Sie hatte es satt. Was für ein Durcheinander ihr Leben war!
Sie ging durch einen Teil von Big Easy, in dem sie sich einst sicher gefühlt hatte, der sie jetzt jedoch leicht nervös machte. Aber ihr blieb keine andere Wahl: Dies war der kürzeste Weg. Ihr Auto hatte vor ein paar Wochen den Geist aufgegeben, und ein Taxi konnte sie sich nicht leisten.
Außerdem brauchte sie ein bisschen Zeit, um frische Luft zu schnappen und nachzudenken. Abzuschalten von der wummernden Musik, den grölenden Kunden und dem Geruch nach abgestandenem Bier und Zigaretten. Mit dem Club ging es ebenfalls bergab. Die Nacht war kühl. Je weiter sie sich von der Bourbon Street entfernte, desto ruhiger wurde es. Karen glaubte sogar, den Fluss riechen zu können, aber das war wohl nur Einbildung.
Sie hatte bis elf Uhr getanzt, bis sie von Big Als neuester »Entdeckung«, einem Mädchen, das Karen auf keinen Tag älter als sechzehn schätzte, von der Bühne vertrieben worden war. Doch dieses Mädchen, Baby Jayne – mit ihrem Kewpie-Puppen-Gesicht, den langen blonden Zöpfen, die ihr fast bis auf den festen kleinen Hintern reichten, und ihrem durchsichtigen Babydoll, durch das Brüste zu sehen waren, die Dolly Parton vor Neid hätten erblassen lassen – ließ die Männer in Scharen hereinströmen. Obwohl sie grottenschlecht an der verdammten Stange war. Karen hatte von der Tür aus Baby Jaynes pornografische Bewegungen verfolgt. An ihrem Tanz war nichts Verführerisches, keine Verlockung, nur das Offensichtliche.
Es war einfach nicht fair.
Der Gedanke, dass sie, Bodiluscious, mit dreißig zum alten Eisen degradiert wurde. Vor ein paar Jahren hatte sie noch unglaubliche Trinkgelder bekommen – in manchen Nächten hatte sie genug verdient, um ihre Miete zu bezahlen und etwas Kokain zu kaufen. Aber jetzt, nachdem Katrina beinahe die ganze Stadt in Schutt und Asche gelegt hatte und Baby Jayne in den Club spaziert war, konnte Karen froh sein, wenn das Geld für die monatlichen Rechnungen reichte. Was vielleicht ganz gut war. Hätte sie Geld übrig gehabt, hätte sie es doch nur durch die Nase gezogen. Seit über zwei Monaten war sie jetzt clean und wollte es auch bleiben. Wollte ihr Leben in Ordnung bringen. Zur Hölle, sie konnte schließlich nicht ewig tanzen.
Sie ging auf ihr kleines Haus zu, das bei dem Sturm wie durch ein Wunder nur geringen Schaden genommen hatte. Dafür war sie sehr dankbar.
Als sie die Straße überquerte, hatte sie das Gefühl, als würde sie jemand beobachten. Schließlich war es ihr Job, Männer dazu zu bringen, sie zu begaffen, je mehr, desto besser. Sie
wusste,
wie sich das anfühlte.
Klick, klick, klick.
Ihre Schritte hallten auf dem, was vom Bürgersteig übrig war. Sie hielt den Blick nach vorn gerichtet, aus Angst, einen falschen Schritt zu machen und sich den Knöchel zu verstauchen. Was dann? Dann wäre ihre Karriere definitiv beendet.
Vielleicht war es an der Zeit, die Geschichte mit ihrer Mutter und dem Kind wieder ins Lot zu bringen und nach San Antonio zurückzukehren. So konnte sie wenigstens ihre Tochter öfter als ein-, zweimal im Monat sehen. Sie lächelte bei dem Gedanken an Darcy. Das Mädchen würde es weit bringen. Mit zehn war sie bereits Klassenbeste, und das Kunstwerk, das sie Karen zum letzten Weihnachtsfest gebastelt hatte, war unglaublich. Das Kind war ein Genie, selbst wenn es einen Nichtsnutz zum Vater hatte, der seine Zeit im Gefängnis absaß, und eine Mutter, die sich sechs Nächte in der Woche auf einer Bühne an einer Metallstange räkelte.
Ein Auto fuhr langsam die Straße entlang, doch Karen ging achtlos weiter. New Orleans war ein gefährliches Pflaster geworden, und die Kriminalitätsrate – wollte man der Presse Glauben schenken – ins
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