Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Angerichtet

Angerichtet

Titel: Angerichtet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Koch
Vom Netzwerk:
Spanien – zum ersten und zum letzten Mal, hatte Claire gesagt, als wir nach drei Tagen wieder aufgebrochen waren. Mein Bruder und seine Frau hatten uns schon so lange bekniet, dass wir unbedingt einmal vorbeikommen sollten, und so war es inzwischen fast unhöflich, es noch weiter zu verschieben.
    Das Haus war sehr schön auf einem Hügel gelegen, versteckt zwischen Bäumen, durch die Zweige hindurch blickteman in die Ferne, ins Tal, in einer Biegung floss glitzernd die Dordogne. Es war drückend heiß, als wir dort waren, es ging kein Luftzug, und sogar im Schatten, nahe den Hauswänden auf der Hausrückseite, war es vor Hitze kaum auszuhalten. Riesige Brummkäfer und Schmeißfliegen, in einer Größe, wie man sie in den Niederlanden nicht kannte, summten mit lautem Spektakel zwischen den Blättern hindurch oder flogen mit einem derart lauten Knall gegen die Fenster, dass die Scheiben im Rahmen wackelten.
    Wir wurden »unserem Maurer« vorgestellt, der die Außenküche ans Haus angebaut hatte, der »Madame« des Bäckers, dem Besitzer eines »ganz normalen Restaurants, wo nur Leute aus der Gegend hingehen«, am Ufer eines Seitenarms der Dordogne. »Mon petit frère« , stellte Serge mich jemanden vor. Er schien sich inmitten der Franzosen wohlzufühlen, immerhin alles ganz normale Leute, die normalen Leute zählten in den Niederlanden zu seiner Spezialität, also weshalb dann nicht auch hier?
    Er schien sich allerdings kaum darüber im Klaren zu sein, dass die normalen Leute ordentlich an ihm verdienten, an dem Niederländer mit seinem Zweithaus und seinem Geld, und dass sie zum Teil auch deswegen ein Minimum an Höflichkeitsformen beachteten. »So nett«, sagte Serge. »So einfach. Wo hat man so was noch in den Niederlanden?« Es schien ihm zu entgehen, oder er wollte es vielleicht einfach nicht sehen, dass »unser Maurer« einen großen grünen Schleimklumpen aus Schnupftabak auf die Fliesen ihrer Terrasse klatschen ließ, nachdem er ihnen den Preis für ein paar authentische, landestypische Dachziegel für das Dach des Küchenanbaus genannt hatte. Dass die Madame in der Bäckerei eigentlich die anderen Kunden in der Schlange weiterbedienen wollte, während Serge seinen petit frère vorstellte, und ebendiese Kunden sich vielsagende Blicke zuwarfen und sich zuzwinkerten: Blicke und Augenzwinkern, diealles über ihre Verachtung dieser Niederländer aussagten. Dass der joviale Restaurantbesitzer neben unserem Tisch in die Hocke ging und verschwörerisch säuselte, er habe heute frische Weinbergschnecken bekommen, von einem Bauern, der sie normalerweise nie hergab, jetzt aber doch, exklusiv für Serge und »seine sympathische Familie«, zu einem »Sonderpreis«, aber dann würde man auch wirklich etwas essen, was man sonst nirgendwo bekäme. Zwischendurch schien es meinen Bruder nicht zu stören, dass die französischen Gäste am Nebentisch einfach die Speisekarte gereicht bekamen, auf der das relais du jour stand, ein einfaches Tagesmenü mit drei Gängen, halb so teuer wie eine Portion Schnecken. Über das Probieren des Weins im Restaurant will ich lieber nichts berichten.
    Drei Tage sind Claire und ich geblieben. Während dieser drei Tage besichtigten wir auch noch ein Chateau, wo wir mit hundert weiteren Ausländern, vor allem Niederländern, in der Schlange anstehen mussten, bevor wir in Begleitung eines Führers durch die zwölf glühend heißen Räume mit alten Himmelbetten und niedrigen Crapaudsesselchen geführt wurden. Die restliche Zeit saßen wir in dem vor allem heißen Garten. Claire versuchte etwas zu lesen, ich fand es sogar zu heiß, um ein Buch aufzuschlagen, das Weiß der Seiten schmerzte mir in den Augen. Aber es war ziemlich schwierig, einfach gar nichts zu tun: Serge war andauernd mit irgendetwas beschäftigt, es gab auch Sachen am Haus, die er selbst machte und für die er keine Leute brauchte. »Die Leute hier bekommen Respekt vor dir, wenn du selbst an deinem Haus arbeitest«, sagte er. »Das spürt man.« Also rackerte er sich damit ab, eine Schubkarre mit Dachziegeln zu beladen und sie vierzigmal hin und her zu karren zwischen der fünfzehnhundert Meter weiter entfernten Landstraße, wo sie abgeladen worden waren, hin zu dem Küchenanbau. Er machte sich keinerlei Gedanken darüber, ob er mit seiner Selbstbetätigung vielleicht einen gehörigenAnteil der bezahlten Arbeitsstunden von »unserem Maurer« wegschaffte.
    Auch das Kaminholz sägte er selbst, manchmal kam einem das vor wie auf einem

Weitere Kostenlose Bücher