Angor - Schatten der Vergangenheit (Kriminalroman)
6
Eigentlich wollten sie am Strand spazieren gehen und sich die frische Seeluft des nahen Ärmelkanals um die Nase wehen lassen, aber draußen regnete es in Strömen. Zudem schienen sich Orkanböen recht unfreundlich anzumelden. Raven Blackstone und Nolan Snyder saßen auf zwei sich gegenüberstehenden grünen Samtsofas im Gästezimmer vor dem gemütlichen Kamin in einem gemieteten Ferienhaus in Brighton. Niemand erfuhr von dem Trip. Die Familie schottete sich ab und wollte von den letzten Tagen einfach nur Abstand gewinnen. Der immer noch leidende Brauereierbe hatte sich mit seiner Frau und den beiden Kindern dorthin zurückgezogen. Einige Tage der Ruhe und des Familienglücks waren vergangen, es half ihm nicht wirklich. Nolan besuchte sie und hatte reichliche Neuigkeiten im Gepäck.
Keine Guten, es sollte alles noch viel schlimmer kommen. Da halfen auch nicht die zwei Flaschen südafrikanischen Rotweins, die sie schon getrunken hatten.
Raven öffnete die Dritte schon leicht umständlich, der Korkenzieher schien schuld zu sein. Er konnte sich ein leichtes Fluchen nicht verkneifen.
»Shit!«
Sie waren beide aufgebracht, ihr Gespräch wurde immer hitziger. Sie stießen ihre Gläser recht heftig zuprostend gegeneinander.
Es klirrte laut, ein seltsamer Klang von ungekanntem Ungemach füllte den Raum.
»Nolan, das kann nicht sein! Mein Dad, ein ordinärer Dieb? Das haut mich um …
Du stellst eine ungeheuerliche These auf, ich kann es einfach nicht glauben. Zugegeben, dieser Teil der Geschichte hat mich nie sonderlich interessiert, daher weiß ich auch zu wenig darüber.
Aber nein, mein Dad hätte sich nie an solch unmenschlichen Handlungen beteiligt und sich bereichert. Vielleicht liest du mal unsere Firmenphilosophie, die steht in vielen Publikationen«, fügte Raven in einem fast sarkastischen Ton an.
»Die hat er nämlich niedergeschrieben und nicht ich. Dort spiegelt sich sein ureigenes Gedankengut wi eder. Hinsichtlich Ethik - seiner Wert- und Moralvorstellungen.«
»Raven, wach auf! Ich hätte dich nicht mit so einer Ungeheuerlichkeit konfrontiert, wenn es nicht einige Ungereimtheiten gäbe. Eigentlich bin ich nur zufällig darauf gestoßen.
Aber ich meine, das ist der Grund, warum du überfallen wurdest. Du bist mein bester Freund und gehörst zu meiner Familie. Ich würde dich nie unnötig verletzen, das würde mir mein Herz zerreißen. Dein Dad erfuhr auch von mir eine große Wertschätzung. Aber man kann in keinen Menschen hineinschauen und in die Tiefe seiner Seele blicken.
Da gibt es manchmal Abgründe, die sie verständlicherweise nie jemanden, erst recht nicht ihrer Familie offenbaren. Du kannst es dir nur nicht vorstellen, weil wir geliebten Menschen Derartiges nicht zutrauen wollen.
Aber wie gut kanntest du deinen Dad?
Du gibst doch nur einer Empfindung nach, welche es dir nicht erlaubt, etwas anderes zu akzeptieren. Was wissen wir denn über unsere Großväter und Väter? Was wissen wir wirklich über ihre Vergangenheit und was waren sie tatsächlich für Menschen? Ich für meinen Teil - weiß von dem wahren Inneren meines Dads nicht wirklich viel und von meinem Opa gar nichts. Du weißt, dass ich äußerst wenig über meine eigene Vergangenheit rede. Das hat nichts damit zu tun, dass ich auch als Reservist der SAS der Schweigepflicht unterliege. Aber was ich dir nun erzähle, ist die Wahrheit. Mein Dad hat nach seiner Art gelebt. Einer seltsamen, wenn man Frau und Kinder hat. Wir hatten ein schönes Zuhause in London und waren versorgt, aber geliebt hat er nur seinen Job und seine Kameraden. Der große Spencer Snyder - eine Legende beim „Special Air Services“, ja das war er.
Ich aber bin nicht zufällig in seine Fußstapfen getreten, er hat es für mich generalstabsmäßig geplant. Gott sei Dank habe ich mich dort durchgesetzt. Wenn ich die extrem harten Aufnahmeprüfungen schon nicht bestanden hätte … diese Gedanken behalte ich lieber für mich. Ich habe noch die meiste Zeit mit ihm verbracht. Nicht weil ich sein ganzer Stolz, sondern mehr sein Waffenbruder im Geiste war.
Unsere Gespräche drehten sich fast immer um Waffenkunde, Kampfsituationen, militärische Aufklärung und dergleichen.
Frage mal deine Frau, wie oft sie unseren Dad gesehen hat. Wenige Tage im Jahr, vielleicht zu ihren Geburtstagen, aber sicher nicht an allen.
Weihnachten immer, da waren wir für eine kurze Zeit eine Bilderbuchfamilie. Er war ein Gast in seinem eigenen Haus, traurig, aber
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