ANGRIFF - Fantastischer Thriller (German Edition)
Renny, Danny Gordon und Nick – sie alle waren Waisenkinder. Und sie hatten alle einen beträchtlichen Teil ihrer Kindheit im St.-Francis-Waisenhaus für Knaben in Queens verbracht. Renny hatte in den Vierzigerjahren da gelebt, bis er von den Augustinos adoptiert worden war. Nick hatte den größten Teil der Sechziger dort verbracht, bis er eine neue Familie bei den Quinns gefunden hatte, und er kannte den mordenden Priester sehr gut. Das allein machte ihn schon wertvoll. Aber außerdem war Nick außergewöhnlich intelligent. Er hatte einen Verstand wie ein Computer. Er war das ganze Beweismaterial durchgegangen, hatte es analysiert und ihnen eine Theorie geliefert, die sich nur schwer widerlegen ließ, eine, die den Verdächtigen, Pater Ryan, unschuldig aussehen ließ … bis zu einem gewissen Punkt.
Was Nick nicht erklären konnte, waren die Aussagen der Augenzeugen, die gesehen hatten, wie Pater Ryan Danny Gordon aus dem Krankenhaus trug und mit ihm davonfuhr. Danach hatte ihn niemand mehr gesehen.
Egal, wie man das drehte, die Entführung blieb immer.
Renny merkte, dass er auch jetzt noch die Zähne zusammenbiss, wenn er daran dachte. Er hatte den Priester gemocht, hatte sogar gedacht, sie seien Freunde. Was für ein Idiot er doch gewesen war. Er hatte sich einwickeln lassen, und so konnte der Priester ihn zum Schluss austricksen und wie einen vollkommenen Trottel aussehen lassen. Einen Trottel mit leeren Händen, der zugelassen hatte, dass ein gestörter Mistkerl ein Kind direkt unter seiner Nase weg entführte. Bei der Erinnerung durchtobte ihn immer noch die eisige Wut wie ein Schneesturm.
»North Carolina«, sagte Nick und sah auf. »Glauben Sie, er könnte es sein?«
»Ich weiß nicht, was ich denken soll. Das kam ziemlich unerwartet.«
»Wie …?«
»Eine Investition, die sich auf lange Sicht ausgezahlt hat, könnte man sagen.«
Vor fünf Jahren, als Pater Ryan mit dem Kind verschwunden war und es so aussah, als sei er davongekommen, hatte Renny eine Fahndung nach einem Mann und einem Jungen veranlasst, die auf die beiden Flüchtlinge passte, hatte aber auch noch etwas anderes durchgesetzt. Mithilfe des FBI hatte er bei den Telefongesellschaften an der Ostküste interveniert, damit die auf Beschwerden über eine bestimmte Art von Telefonscherz achteten, die Renny mit dem vermissten Priester in Verbindung brachte. Zu Beginn hatte es eine Menge Reaktionen darauf gegeben, und für eine Weile hatte Renny gedacht, sie könnten Ryans Aufenthalt so eingrenzen, aber gerade, als er sich sicher war, dass sie ihn fast hatten, hörte das auf. Plötzlich war Pater Ryan weg, verschwunden vom Antlitz der Erde, als habe es ihn nie gegeben.
Nick ließ den Brief auf den Tisch fallen und griff nach seinem Bier. »Ich weiß nicht recht. Das ist so vage. Gibt es keine Möglichkeit, mit irgendjemand da unten zu sprechen?«
»Das habe ich schon. Aber alles, was ich erfahren konnte, beruht auf Hörensagen. Es passierte auf der Straße an einer Bushaltestelle. Die Leute, die den Anruf mitgehört haben, hatten bereits ihren Bus bestiegen und waren nach Hause gefahren, als Polizei und Rettungsdienst eintrafen. Aber alle waren sich einig, dass der Anruf von einem Kind in Not kam.«
Genau wie bei den anderen Anrufen, dachte Renny, und seine Gedanken wanderten fünf Jahre zurück zu der Wartenische vor der Kinderstation im Downstate Medical. Er hatte immer noch Albträume von dieser endlosen Nacht in der Hölle, in denen die Tür zu Dannys Krankenzimmer vor ihm aufragte, ihn zu sich hin saugte und sich dann öffnete, um die schrecklichen Dinge zu enthüllen, die dahinter verborgen lagen. Und er erinnerte sich an den Anruf.
Er hatte mit Pater Ryan dort gewartet, dem Mann, dem er vertraut, den er sogar bewundert hatte. Sie saßen beide wie auf glühenden Kohlen, nahmen im einen Moment Platz und sprangen dann wieder auf und liefen ruhelos umher, und hofften darauf, dass einer der Ärzte ihnen eine neue Einschätzung geben konnte, wie es um Danny stand. Und dann klingelte das Telefon.
Ein ganz gewöhnlicher Münzfernsprecher, der in die Wand eingelassen war, wie tausend andere auch in der ganzen Stadt. Aber Renny hatte nie zuvor ein solches Telefonläuten gehört. Es klingelte und klingelte, ununterbrochen. Irgendetwas daran sorgte dafür, dass sich seine Nackenhaare sträubten. Obwohl der Priester ihm davon abriet, nahm er den Hörer ab. Und was er da hörte, schallte immer noch durch seinen Kopf in diesen viel zu häufigen
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