ANGRIFF - Fantastischer Thriller (German Edition)
Nächten, wenn sich der Schlaf nicht einstellen wollte. Er war entsetzt, erstaunt, angewidert. Aber als sich der Priester – sein neuer Freund, der Danny eigentlich beschützen sollte – mit dem Jungen davongemacht hatte, war ihm klar geworden, dass das alles ein Trick gewesen war, ein mieser Versuch, den Verdacht in eine andere Richtung zu lenken.
Und es hätte auch fast funktioniert.
Du warst gut, du Mistkerl, dachte Renny. Ein gottverdammter Marlon Brando der Priesterzunft.
»Fehlende Aussagekraft«, sagte Nick.
Renny rief sich in die Gegenwart zurück. »Was?«
Nick lächelte. »Wissenschaftssprech. Es bedeutet, dass das fragliche Ereignis nur in ganz allgemeingültigen Faktoren den gewünschten Kriterien entspricht. Was ist mit dem bizarren Läuten, von dem Sie mir erzählt haben?«
»Wie ich schon sagte: Ich konnte nicht mit den Leuten sprechen, die dabei gewesen sind, daher weiß ich das nicht. Ich wünschte, es wäre anders. Wenn jemand mir dieses lange, ununterbrochene Klingeln bestätigt hätte, wäre ich schon im nächsten Flugzeug dahin.«
Nick sah ihn an, dann wandte er den Blick ab: »Sie glauben immer noch, dass er den Jungen getötet hat?«
Als Renny antwortete, behielt er Nick genau im Auge. Er vermutete schon die ganze Zeit über, dass Nick mehr über den Aufenthaltsort des Priesters wusste, als er zugab. Deswegen hielt Renny auch den Kontakt aufrecht. Eines Tages rutschte Nick vielleicht etwas heraus, und dann hatte Renny die Spur, auf die er die ganze Zeit gewartet hatte.
»Ich bin mir da sicher. Nur so konnte er unbemerkt entkommen. Wenn die Arbeit in Manhattan einen Vorteil hat, dann ist es der, dass es sich um eine Insel handelt. Es gibt nur wenige Möglichkeiten, sie zu verlassen. Wir haben jede Brücke und jeden Tunnel auf der Suche nach einem Mann mit einem Jungen abgesperrt und jedes infrage kommende Paar gründlich unter die Lupe genommen. Danny und der Priester waren nicht darunter. Und trotzdem wissen wir, dass er uns durch die Lappen gegangen ist, ich vermute, über Staten Island. Und soweit es mich betrifft, bedeutet das, dass er den Jungen abgemurkst und die Leiche beseitigt hat – vielleicht in irgendeiner Baugrube oder im East River. Wo es auch war, es war ein gutes Versteck. Wir haben ihn bis heute nicht gefunden. Aber Danny Gordon ist tot. Nur so konnte der Mistkerl entkommen.«
»Was, wenn er ein Boot hatte?«
Renny schüttelte den Kopf. Er hatte bereits alle Möglichkeiten in Erwägung gezogen. Viele Male.
»Nein. Nicht bei dem Wetter. Außerdem wurde zur fraglichen Zeit kein Boot vermisst oder als gestohlen gemeldet. Nein, Nick. Ryan hat den einzigen Zeugen beseitigt, der gegen ihn aussagen konnte.«
»Und ist dann selbst verschwunden«, erklärte Nick. »Wenn man einen Zeugen beseitigt, geht es doch darum, nicht fliehen zu müssen. Sie sagen, er hat beides getan. Das ergibt keinen Sinn.«
»An dem ganzen Fall ergab von Anfang an nichts einen Sinn«, sagte Renny und schüttete den Rest seines Scotchs in sich hinein. »Auf wessen Seite stehen Sie eigentlich?«
»Es geht nicht darum, sich für eine Seite zu entscheiden. Ich versuche, etwas für Danny Gordon zu tun, das ist klar. Was den Rest angeht …«
»Soll das heißen, dass Sie immer noch etwas für diesen perversen Pfaffen übrig haben?«
Nick fuhr auf: »Das dürfen Sie nicht sagen. Niemand hat auch nur angedeutet …«
»Ich bin sicher, dass es genau darum ging. Wenn wir schließlich alles geklärt haben, dann werden wir genau das finden. Und, glauben Sie mir, das ist nicht das erste Mal.«
»Er war gut zu mir«, sagte Nick. Seine Kehle zuckte, als er den Blick abwandte. »Verdammt gut.«
»Ja«, sagte Renny, dem der Aufruhr in dem jungen Mann nicht verborgen blieb. »Ich weiß, was Sie meinen. Er hat uns alle getäuscht.«
Nach einer Weile räusperte sich Nick. »Also, was haben Sie jetzt vor?«
»Ich weiß nicht recht. Deswegen habe ich Sie angerufen. Was meinen Sie?«
Renny vertraute seinem Instinkt, aber er hatte im Laufe der Jahre auch gelernt, dass man sich in einen Fall zu sehr verbeißen konnte – man konnte sich so sehr auf einen Baum konzentrieren, dass man den Wald nicht mehr sah. In so einem Fall war eine weitere Meinung ganz nützlich. Und weil sich im Midtown North nun wirklich kein Schwein für den Fall Danny Gordon interessierte – schließlich war der schon fünf Jahre alt und gehörte in den Zuständigkeitsbereich des 112. Reviers – benutzte Renny Nick als Meinungstest.
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