ANGRIFF - Fantastischer Thriller (German Edition)
Grund zum Feiern.«
»Ich habe eher das Gefühl, ich habe mir Schwielen auf der Seele zugelegt.«
»Du hast nichts dergleichen getan. Das ist die Art Denken, die dich an deiner Entfaltung hindert. Negatives Denken. Es geht nicht um Schwielen. Es geht darum, dass du dich von den Fesseln deiner Kindheit löst.«
»Ich fühle mich aber nicht frei.«
»Weil du dich nur von einer der Fesseln befreit hast. Da sind noch andere. Noch eine ganze Menge.«
»Ich bin mir nicht sicher, ob ich das hören will.«
»Vertrau mir.«
Rafe nahm ihren Arm und sie schlenderten die Conway Street entlang.
»Bis jetzt haben wir uns mit gesichtslosen Befreiungsakten befasst.«
»Gesichtslos? Was war gesichtslos? Da waren eine Menge Gesichter beteiligt!«
»Nicht wirklich. Wir haben Geschäfte bestohlen. Gesichtslose Konzerne, die nicht einmal den geringsten unangenehmen Nadelstich verspüren durch das, was wir getan haben.«
»Du willst mir doch jetzt keine marxistischen Parolen predigen, oder?«
Rafe blickte verächtlich drein. »Bitte beleidige nicht meine Intelligenz. Nein. Was ich meine ist, dass wir von jetzt an persönlich werden.«
Lisl gefiel das gar nicht.
»Was meinst du damit?«
»Nicht was – wen. Ich zeige dir das lieber, als es dir zu erzählen. Aber dazu muss ich noch etwas recherchieren. Morgen ist früh genug.« Er hielt ihr die Beifahrertür zu seinem Maserati auf und verbeugte sich, um sie hineinzubitten. »Eure Kutsche wartet.«
Ein kleiner, kalter Klumpen formte sich in Lisls Eingeweiden, als sie einstieg. Ihre Erleichterung, dass die Diebstähle jetzt aufhören würden, wurde durch die Angst vor dem aufgehoben, was an deren Stelle kommen würde.
XI
1.
Am folgenden Tag öffnete Lisl ihre Wohnungstür und war überrascht, als ein etwas verwahrlost wirkender Fremder davorstand. Sie hatte Rafe erwartet. Sie waren in einer Stunde verabredet und als es an der Tür klingelte, hatte sie vermutet, er wäre früher gekommen.
»Kann ich Ihnen helfen?«
Er war hager und etwas ausgemergelt, aber er war glatt rasiert und roch nach einem parfümierten Aftershave. Ein dicker Mantel verdeckte die scharfen Kanten seiner eckigen Gestalt.
»Das können Sie, wenn Sie Miss Lisa Whitman sind.«
»Lisl. Ja, das bin ich. Wer sind Sie?«
Er fischte ein schwarzes, ledernes Klappetui aus einer seiner Taschen und zeigte ihr kurz eine Marke.
»Detective Augustino, Miss Whitman. Staatspolizei.«
Sie erhaschte einen flüchtigen Blick auf eine blau-goldene Marke, bevor das Etui wieder zugeklappt wurde und zurück in die Tasche wanderte.
Plötzliche Panik überfiel Lisl.
Die Polizei! Sie wissen von den Diebstählen!
Sie blickte auf ihren Pullover hinunter, wo der goldene Schmetterling mit den fragilen Flügeln angesteckt war. Sie verspürte den Drang, ihn mit der Hand zu verstecken, aber damit machte sie sich nur noch verdächtiger, oder?
Da war es: Schande, Blamage, ein Eintrag in der Polizeiakte, das Ende ihrer akademischen Laufbahn.
»Was …?« Ihr Mund war trocken. »Was kann ich für Sie tun?«
»Sind Sie die Dame, die sich über einen Telefonscherz am 16. Dezember beschwert hat?«
Telefonscherz? 16. Dezember? Wovon um Himmels willen redete der …?
»Ach, die Party! Der Anruf auf der Party! Ja, das stimmt! Oh mein Gott, ich dachte, Sie …« Sie biss sich auf die Zunge.
»Sie dachten, ich … was, Miss Whitman?«
»Nichts, nichts!« Lisl kämpfte dagegen an, laut aufzulachen. »Überhaupt nichts.«
»Darf ich hereinkommen?«
»Ja, sicher! Treten Sie ein!« Sie zog die Tür weiter auf und trat zurück. Sie war so furchtbar erleichtert, dass sie sich erst einmal setzen musste. »Nennen Sie mich Lisl.«
Er blickte auf den Notizblock in seiner Hand.
»Dann heißt das wirklich Lisl mit einem ›l‹ am Ende? Ich hatte gedacht, es sei ein Druckfehler.«
»Nein. Meine Mutter war Skandinavierin.« Bestürzt erkannte Lisl, dass sie von ihrer Mutter in der Vergangenheitsform gesprochen hatte, als sei sie tot. Nach dem Besuch über Weihnachten bei ihnen war sie das vielleicht sogar in gewisser Weise. Sie wischte den Gedanken beiseite. »Setzen Sie sich doch, Detective …?«
»Augustino. Sergeant Augustino.«
Als er sich auf ihre winzige Couch setzte und einen Stift zückte, versuchte Lisl seinen Akzent zuzuordnen. Da war etwas Merkwürdiges an der Art, wie er redete.
»Kommen wir jetzt zu diesem Anruf …«, setzte er an.
»Was hat die Polizei damit zu tun? Ich habe das der Telefongesellschaft gemeldet.«
»Ja,
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