ANGRIFF - Fantastischer Thriller (German Edition)
keine drei Jahre an der Darnell Universität, und ein Bart war eine gute Tarnung, wenn man auf der Flucht war …
Sie schob diese Vermutungen von sich. Sie waren grundlos. Albern. Will war so ein sanfter Mensch. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass er jemandem wehtun würde, ganz bestimmt keinem Kind. Und außerdem war Will gar nicht in der Nähe des Telefons gewesen, als es klingelte. Sie erinnerte sich genau, ihn mitten im Raum gesehen zu haben.
Aber warum war Will unmittelbar danach verschwunden?
Egal. Sie war sich sicher, er hatte eine gute Erklärung dafür, wenn sie ihn das nächste Mal traf. Und sie musste sich keine Gedanken darüber machen, dass der Polizist ihn aufsuchen würde – Will hatte so beharrlich versichert, dass er nicht kommen würde, dass sie sich gar nicht die Mühe gemacht hatte, seinen Namen auf die Gästeliste zu setzen.
Rafe wischte ihre Überlegungen, warum die Staatspolizei sich da eingeschaltet hatte, beiseite. Das hätte nichts mit ihnen zu tun und sie müssten sich jetzt um wichtigere Dinge kümmern.
Aber ihr fiel auf, dass er ungewöhnlich still und grüblerisch war, während sie ihrem geheimnisvollen Ziel entgegenfuhren.
Schließlich standen sie mindestens zwanzig Minuten lang am Straßenrand in der Nähe des rückwärtigen Parkplatzes vom Kreiskrankenhaus. Weil Rafe so still war, begann sie wieder über Will nachzudenken. Warum war er auf diese Art von ihrer Feier verschwunden? Gerade als dieser schreckliche Anruf erfolgte. Danach hätte sie etwas Aufmunterung von ihm gebrauchen können.
Sie hätte sich gern mit ihm getroffen und mit ihm gesprochen, aber seit der Feier hatte sie ihn nicht mehr gesehen. In erster Linie lag das an den Weihnachtsfeiertagen. Die Studenten waren nach Hause gefahren und das übliche Leben auf dem Campus war bis zur zweiten Januarwoche zum Stillstand gekommen. Die paarmal, die sie zwischenzeitlich in ihrem Büro gewesen war, hatte sie zwar unter der Ulme nachgesehen, aber er war nicht da gewesen.
Und anrufen konnte sie ihn nicht, weil er ja kein Telefon hatte …
Telefon … Sie überlegte, ob es vielleicht einen Zusammenhang gab zwischen seinem Widerwillen gegen Telefone und dem Anruf auf der Feier. Aber worin könnte der bestehen?
Sie konnte das nur herausfinden, indem sie ihn direkt fragte, aber das konnte sie erst, wenn sie ihn das nächste Mal traf. Im Augenblick war ihr einfach nur kalt und sie langweilte sich.
»Worauf warten wir eigentlich?«, fragte sie Rafe bereits zum vierten Mal.
»Auf ein Gesicht. Ein Gesicht, das unsere Zielscheibe wird. Achte nur auf den Porsche da drüben.«
»Welcher von den Wagen ist denn ein Porsche?«
»Der kleine schwarze, der dritte von rechts.«
Lisl sah den Wagen, den er meinte. Ein eleganter, sportlich wirkender Zweisitzer. Ein echter Flitzer.
»Das ist der Ärzteparkplatz.«
»Ja, das weiß ich.«
Lisl bekam langsam eine Ahnung, warum sie hier waren, als sie ihn sah. Ein großer, dunkelhaariger Mann in einer Baumwollhose und einem Kamelhaarmantel.
»Oh Gott! Das ist Brian!«
»Ja. Dr. Brian Callahan. Dein Exmann. Sieht sehr gut aus. Ich gratuliere dir zu deinem Geschmack. Erinnert mich ein bisschen an Mel Gibson. Ich vermute, er versucht die Ähnlichkeit noch zu betonen.«
Lisl spürte, wie so etwas wie Panik Besitz von ihr ergriff.
»Bring mich hier weg.«
»Warum? Hast du Angst vor ihm?«
»Nein. Ich will mit ihm nur nichts mehr zu tun haben.«
»Warum nicht?«
Lisl antwortete nicht. Wie konnte sie das? Sie war sich selbst nicht sicher. Sie hatte Brian seit Jahren nicht mehr gesehen, und seit sie Rafe getroffen hatte, hatte sie auch nicht mehr allzu häufig an ihn gedacht. Aber als sie ihn jetzt sah, brachte das auch diesen schrecklichen, grausamen Augenblick im Büro des Notars wieder zurück. Der Blick in seinen Augen, die Verachtung in seiner Stimme, die Worte … Ich habe dich nie geliebt …
Und mit der Erinnerung kam der Schmerz.
Sie konnte ihm nicht noch einmal gegenübertreten, konnte sich nicht noch einmal von diesen kalten, harten Augen durchbohren lassen. Sie hatte sich seit diesem Tag so viel weiterentwickelt. Sie durfte nicht riskieren, sich von ihm wieder runterziehen zu lassen. Und das konnte er. Sie wusste, er brauchte sie nur mit diesem Blick anzusehen und sie fühlte sich wie ein Nichts. Lisl wollte sich nie wieder wie ein Nichts fühlen.
Ja. Sie hatte Angst vor Brian. Er hatte sie nie geschlagen, ihr nie körperlich Gewalt angetan. Hätte er das doch nur. Damit
Weitere Kostenlose Bücher