Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Angst

Titel: Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
Vom Netzwerk:
müssten bloß ein paarmal mit viel Bleichmittel gewaschen werden, dann würde das Blau schon wieder rausgehen. Sie hat uns einen Zitronenkuchen zum Nachtisch für heute Abend dagelassen. Apropos, Dad, was gibt’s heute zum Essen?«
    »Auf keinen Fall Pizza, Rafe, das kannst du vergessen. Ich habe am Dienstag einen Eintopf vorgekocht und eingefroren. Dazu gibt’s Brötchen.«
    »Ich schau nur kurz, ob wir genügend Ketchup haben.«
    »Haben wir. Bevor ich heute Morgen los bin, hab ich nachgesehen. Ist noch was von dem Zitronenkuchen übrig?«
    »Ich hab ein paar Stück gegessen«, gestand Rafer.
    Dix konnte sich den reduzierten Kuchen bildlich vorstellen. Er holte sein Handy aus der Jackentasche und rief bei den Claussons an. Natürlich war Rob dort. Er spielte gerade Tischfußball mit Mary Lou und ihren Eltern, die Weltklasse in dem Spiel waren. Sie hatten die schnellsten Reflexe, die Dix jemals gesehen hatte. Rob musste haushoch geschlagen worden sein, denn er wirkte kein bisschen traurig, als sein Vater von ihm verlangte, zum Abendessen nach Hause zu kommen. »Hey, Dad, kann Mary Lou bei uns essen?«
    Bevor Dix antworten konnte, hörte er Mr Clausson im Hintergrund sagen: »Nein, Rob, heute Abend ist Mary Lous Tante bei uns zu Besuch.«
    »Komm jetzt nach Hause, Rob.«
    »Ja, Rob«, ertönte Rafes laute Stimme. »Du willst doch nicht etwa, dass Mr Clausson dich lyncht.«
    Spätabends um halb zehn begann es zu schneien. Dix und seine Söhne sahen gerade fern, nachdem er und Rafe eine Stunde zuvor Othello und Desdemona beerdigt hatten. Rafe wollte wissen, warum man Jago nicht die Eingeweide rausgerissen hätte - eine Frage, die sich Dix auch schon gestellt hatte. Er antwortete jedoch: »Shakespeare hat uns sowieso schon fünf Leichen beschert. Das sollte doch wohl reichen, oder?«
    »Ja, wahrscheinlich sind genug Leute abgekratzt«, stimmte ihm Rafe schließlich zu.
    Rafes Modell einer Doppelhelix war fertig und thronte nun neben dem von Steve McNair handsignierten Rugbyball auf seinem Schreibtisch. Sie schauten immer freitagabends fern. Das war jedes Mal ein großer Spaß für die Jungs, da während der Woche Fernsehverbot herrschte.
    Rafe schlief mitten in Law & Order ein, den Kopf auf Dix’ Beinen. Rob, sechzehn, groß und drahtig, war in seinem Lieblingssessel zusammengesunken und schnarchte leise. Sein Haar war genauso schwarz wie das seines Vaters, doch er hatte die blaugrünen Augen seiner Mutter. Ich bin der alte Mann hier im Zimmer, dachte Dix, und ich bin der Einzige, der noch wach ist. Bei diesem Gedanken fragte er sich, was seine Söhne heute getrieben haben mochten, dass sie derart erschöpft waren.
    Um zehn brachte er die beiden ins Bett und ließ Brewster noch einmal hinaus. Da es gerade erst zu schneien begonnen hatte, musste er nicht befürchten, dass der Hund bis zum Kopf einsinken und nur unter großen Mühen wieder herauskommen würde, was im Winter ein echtes Problem darstellte. Dix setzte sich auf die Veranda und sah Brewster zu, der freudig bellend und kläffend die Stufen hinab und in den Hof raste. Der Hund wirbelte herum, hüpfte, als hätte er Sprungfedern in den Hinterbeinen, und versuchte, die Schneeflocken mit den Vorderpfoten zu fangen, während sein buschiger Schwanz hin und her wedelte.
    Dix ging ein paar Meter das Trottoir auf und ab und ließ den Blick zum Himmel schweifen. Der Schnee war so zart und weich, dass die Flocken in dem Moment schmolzen, wo sie sein Gesicht berührten. Einige Sekunden lang verharrte er so, dann lächelte er Brewster zu und sog die kalte Nachtluft tief in seine Lungen. Er fühlte sich gut, fühlte sich beinahe wie ein ganzer Mensch, und das war sicherlich ein Schritt in die richtige Richtung.
    Der Hund bellte ihn dreimal an und lief dann auf das Wäldchen zu.
    »Brewster! Komm zurück, du weißt genau, der Wald ist tabu!«
    Aber der Hund hatte wohl die Fährte eines Tieres aufgenommen und würde die Jagd nicht so leicht aufgeben. Dix rannte ihm hinterher und zog dabei die Handschuhe an, die er zuvor in die Taschen seiner Lederjacke gestopft hatte. Es gab viele wilde Tiere in diesem Wald, und neunundneunzig Prozent von ihnen waren größer und gefährlicher als Brewster.
    Wieder und wieder rief Dix nach dem Hund, doch alles, was er hörte, war Brewsters Kläffen, das von immer weiter her zu ihm drang. Dix folgte dem Gebell. Der Hund musste etwas gefunden haben, vielleicht ein verletztes Tier.
    Der Nachthimmel hing tief. Schwere, aufgeblähte Wolken

Weitere Kostenlose Bücher