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Angst

Titel: Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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noch älter ist als ich. Ich kann kaum glauben, dass er immer noch lebt. Hätte schon 1971 den Löffel abgeben müssen, als seine Heupresse über ihn drübergerollt ist. Aber er hat es unverletzt überstanden. Schlimme Sache!« Henry tapste zu einer geschlossenen Tür und klopfte. Ruth bemerkte, dass er neue Ferragamo-Schuhe an seinen kleinen, schmalen Füßen trug.
    »Herein!«
    Henry öffnete die Tür und steckte den Kopf rein. »Miss Ginger, die Cops sind hier. Weil sie sich anständig benommen haben, habe ich mich kooperativ gezeigt.«
    Sie vernahmen das Lachen einer Frau. »Bitte sie herein, Henry, bitte sie herein. Ich werde mich auch kooperativ zeigen.«
    Ruth hielt beim Anblick von Ginger Stanford überrascht inne. Sie war eine atemberaubende Frau, dafür gab es kein anderes Wort. Ginger hatte hohe, ausgeprägte Wangenknochen, das naturblonde Haar war am Hinterkopf hochgesteckt. Als sie sich erhob, wurde Ruth bewusst, dass die Frau fast eins achtzig sein musste, mit langen Beinen, die an ihren Ohrläppchen zu enden schienen. Die Anwältin bedachte Dix mit einem strahlenden, breiten Lächeln und streckte ihm die Hand entgegen, während sie ihren Schreibtisch umrundete. Ruth entging der Ausdruck in Gingers Augen nicht. Sie mochte den Sheriff.
    Dann tauschten sie kurz Höflichkeiten aus. Als Dix ihr Ruth vorstellte, bemerkte Ruth Gingers raschen, musternden Blick, den jede Frau kennt, sobald sie als mögliche Rivalin betrachtet wird.
    »Ich bin FBI-Agentin, Miss Stanford«, sagte Ruth.
    »Ja, das ist mir zu Ohren gekommen. Ich sehe aber kein Anzeichen einer Kopfverletzung.«
    Ruth berührte mit den Fingerspitzen das kleine Pflaster, das unter ihrem Haar versteckt war. »Fast verheilt«, erklärte sie.
    Dix schüttelte den Kopf. »In dieser Stadt kann man anscheinend nichts geheim halten.«
    »Das kannst du laut sagen«, sagte Ginger und zeigte mit einer eleganten Handbewegung auf das Sofa. »Ich habe gehört, dass Brewster Sie hinter einem Holzhaufen bei Dix’ Haus gefunden hat.«
    Ruth fragte sich verwundert, an wie vielen Orten der
    Hund sie eigentlich auf Dix’ Grundstück aufgespürt haben sollte.
    Sobald sich Ginger wieder an ihren Schreibtisch gesetzt hatte, legte sie die Fingerspitzen aneinander und sagte nachdenklich: »Meine Mutter fühlt sich elend wegen Erin, Dix. Ich habe den ganzen gestrigen Abend bei ihr verbracht, derart aufgewühlt war sie. Sie konnte nicht aufhören zu weinen. Bitte sag mir, dass du herausgefunden hast, wer dafür verantwortlich ist. Und jetzt auch noch Walt McGuffey. Was ist hier los, Dix?«
    Er zuckte mit den Schultern. »Es wäre schön, wenn du uns von Erin Bushnell erzählen könntest, Ginger.«
    Ginger lehnte sich in ihrem Stuhl zurück, schloss für einen Moment die Augen, riss sie dann wieder auf und blinzelte, während ihr Mund ein mattes Lächeln formte. Ruth fragte sich, wie diese bühnenreife Augenmimik auf eine Jury wirken mochte. Wahrscheinlich machte es die Männer ganz wild. Schließlich sagte Ginger: »Abgesehen davon, dass sie scharf auf Dr. Holcombe war, war sie recht clever.«
    »Was?«
    »Ich weiß, ich weiß. Er ist alt genug, um ihr Vater zu sein, aber so ist es nun einmal. Sie scharwenzelte ständig um ihn herum, erbot sich, Dinge für ihn zu erledigen - hat die Blätter in seinen Holzblasinstrumenten gewechselt, sein Cembalo gestimmt, sein Waldhorn poliert, was auch immer. Erin hat alle Kurse besucht, die er gegeben hat, und ist sogar ein paarmal zu seinem Haus gefahren, um mit verträumtem Blick davor zu warten. Das hat mir jedenfalls Mom erzählt.«
    »Ihre Mutter hat uns nichts Dergleichen erzählt.«
    »Das hätte mich auch gewundert. Sie war der Ansicht, dass es reine Vernarrtheit sei, sonst nichts, weshalb sie die Angelegenheit auch nicht weiter störte. Meine Mutter betrachtete Dr. Holcombe als Realisten, der sich seiner Rolle bewusst war und der ahnte, dass er vermutlich ohne große Umstände fallen gelassen würde, sobald Erin bereit wäre, den Weg des Ruhmes zu betreten. Ich dagegen habe versucht, ihr zu erklären, dass Erin weit über dieses Stadium hinaus war, dass sie sich vor sein Auto gelegt hätte, um seine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, doch Mom hat es mir nicht abgekauft. Sie schüttelte einfach nur den Kopf und beteuerte, dass Erin mit Sicherheit einmal auf Welttournee gehen würde, dass nichts sie davon abhalten könnte.« Ginger machte eine Pause und sah zu einer der afrikanischen Masken an der gegenüberliegenden Wand. »Das

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