Angst
grinste sie an. »Wer weiß, was sich daraus ergeben mag? Die drei ziehen immer, ich wiederhole, immer eine Show für Besucher ab. Man wirft ihnen ein Stichwort zu, und sie springen darauf an. Ich weiß, es muss schwierig für Sie sein, mir zu glauben, aber heute waren sie wirklich zahm. Erin Bushnells Tod hat ihnen den Spaß verdorben. Walts Tod ebenfalls.«
Ruth nickte. »Ich stimme Ihnen zu, dass starke Gefühle für Erin im Spiel waren, ich konnte allerdings nicht ausmachen, wer was gefühlt hat.«
»Diese Leute sind Profis. Sie haben jahrelange Übung.«
»Ich habe schon früher kaputte Familien gesehen und gehöre wahrscheinlich selbst zu einer, doch diese drei beherrschen ihr Fach tatsächlich meisterhaft.«
Dix lachte. »Sie hätten Chappy nach ihm und Erin fragen sollen, um den Ausdruck auf ihren Gesichtern zu erleben.«
»Es widerstrebt mir, Sie das fragen zu müssen, aber könnten Sie sich vorstellen, dass jemand aus Ihrer Familie in Erins Ermordung verwickelt sein könnte?«
Der Sheriff schwieg, während er in die Mount Olive Road einbog. »Als Christie damals verschwand, habe ich alles in Betracht gezogen, einschließlich der Möglichkeit, dass jemand aus der Familie beteiligt sein könnte. Und nach all den Jahren müssten sie schon etwas ganz Besonderes anrichten, um mich noch zu überraschen. Aber ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass einer von ihnen einen Mord begehen könnte. Allerdings habe ich schon des Öfteren falsch gelegen.«
Kurze Zeit später standen sie vor Helen Raffertys Schreibtisch. Dix setzte seine Fliegerbrille ab und lächelte die Sekretärin an, die bedrückt aussah.
Der Sheriff beugte sich zu ihr herab und sagte: »Ich muss mit Ihnen reden, Helen. Fünf Minuten, im Aufenthaltsraum?«
»Ich ... nun, ich nehme nicht an, dass Sie später noch mal vorbeischauen könnten, Sheriff?«
»Mir würde es jetzt besser passen. Es ist sehr wichtig.«
Zwei Angestellte befanden sich im Aufenthaltsraum für die Mitarbeiter des Verwaltungsgebäudes. Sie waren über einen grünen Resopaltisch gebeugt, eine Tüte Chips zwischen ihnen. Dix zog seine Marke hervor und winkte sie hinaus.
Ruth saß neben Helen, betrachtete sie einen Moment lang und versuchte ihre Stimmung einzuschätzen. »Erzählen Sie uns von Dr. Holcombe und Erin Bushneil, Miss
Rafferty«, bat Ruth die Sekretärin mit ihrer ruhigen FBI-Verhörstimme.
Helen blickte von Ruth zu Dix, der an der Wand lehnte, die Arme über der Brust verschränkt.
Auf einmal brach sie in Tränen aus.
KAPITEL 20
Philadelphia
Mittwoch
Savich und Sherlock saßen Elsa Bender in dem ultramodernen Wohnzimmer von Jon Bender gegenüber, dessen Haus an der verkehrsreichen Linderman Lane lag. Obwohl es in dem Raum sehr warm war, bedeckte eine Kaschmirdecke Elsas Beine, und sie hatte sich einen dicken Wollpullover über die herunterhängenden Schultern geworfen. Das braune Haar hatte sie sich aus dem Gesicht zurückgekämmt und mit einer Spange zusammengebunden. Unablässig verschränkte sie die Hände in ihrem Schoß, löste sie aber im nächsten Moment gleich wieder. Savich bemerkte, dass sie keinen Ehering trug. Das Zimmer war hell erleuchtet, doch Elsa Bender schien inmitten von Schatten zu sitzen.
Ihre Augen waren im Moment nicht verbunden, aber sie trug eine dunkle Sonnenbrille. Elsa war zu dünn und ungesund blass, als ginge sie niemals hinaus. Allerdings lächelte sie zu ihrem Exmann hoch, der neben ihr stand und dessen Hand leicht auf ihrer Schulter ruhte. Laut Zeitungsberichten war Jon Bender ein erfolgreicher Immobilienmakler, der seine Gattin vor zwei Jahren gegen ein jüngeres Model, nämlich seine Sekretärin, eingetauscht, sie jedoch nicht geheiratet hatte. Aber jetzt war er hier, ein großer Mann, untersetzt und mit einem energischen Kinn, dessen blinde Exfrau wieder in seinem Haus lebte.
Savich stellte sich und Sherlock vor. Ohne weiteren SmallTalk kam er zur Sache: »Der alte Mann und die junge Frau, die damit geprahlt haben, Sie gekidnappt zu haben - ihre Namen sind Moses Grace und Claudia. Wir kennen weder den Nachnamen des Mädchens noch wissen wir bisher, in welcher Beziehung sie zu dem alten Mann steht. Bei den beiden handelt es sich um dieselben Personen, die meinen Freund Pinky Womack in einem Grab im Arlington Nationalfriedhof verscharrt haben.«
Mr Bender blickte von Savich zu Sherlock, und offenbar fragte er sich, ob er beunruhigt sein sollte. Dann nickte er langsam. »Davon haben wir gehört. Wir hatten jedoch
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