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Angst auf der Autobahn

Angst auf der Autobahn

Titel: Angst auf der Autobahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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das
gleich die Lungen wegätzt. Vielleicht ist es nur eine tote Ratte oder eine
Mitteilung mit obszönen Verwünschungen.
    Tim schloß den Briefkasten auf,
hielt sich den linken Arm gebeugt vors Gesicht und schützte seine Augen, was
ihm allerdings die Sicht völlig nahm.
    Er öffnete das Türchen.
    Stille.
    Nichts passierte.
    Tim senkte den schützenden
Unterarm um einen halben Zentimeter und lugte über seinen ausgeprägten
Armspeichenmuskel.
    „Ist was drin?“ fragte Karl.
    Er hatte sich hinter Tim
geduckt.
    „Ein kleines Päckchen.“
    „Postalisch?“
    „Scheint so.“ Tim nahm es
vorsichtig heraus.
    Es war nicht größer als ein
Taschenbuch, gehüllt in braunes Papier, sorgsam verklebt mit rißfestem
Klebeband und adressiert — mit maschine-geschriebenem Allerwelts-Aufkleber — an Fräulein
Gabriele Glockner... mit exakter Adresse.
    Rechts oben klebte eine
Briefmarke, die aber wertzeichenmäßig zu gering war und eine Nachgebühr
erfordert hätte.
    Der Poststempel — Tim riß die
Augen auf — war kein echter Stempel, sondern mit Bleistift gemalt.
    Aber sehr geschickt.
    „Gaby!“ sagte Tim dumpf. „Hier
ist ein Geschenk für dich. Ein Geschenk des Teufels.“

15. Jörgs schaurige Nacht
     
    Er hatte seit Stunden geweint.
    Später würde er sich dafür
schämen, aber jetzt war ihm alles egal.
    Jörg Wichtigmann, der Sohn des
2. Bürgermeisters, war so verzweifelt, wie es ein neunjähriger Junge nur sein
kann. Er war ohne Hoffnung, hatte sich aufgegeben, glaubte, daß er ganz
bestimmt sterben werde — hier in dieser schaurigen Umgebung.
    Er befand sich auf dem Boden
des ausgetrockneten Brunnens — in einer Tiefe von genau 13 Metern. Es war
stockfinster. Die Luft roch modrig, faulig, verbraucht.
    Der Durchmesser des Schachts
betrug nur zwei Meter, und die ausgemauerten runden Wände waren dem Zahn der
Zeit zum Opfer gefallen, waren bröcklig und schadhaft geworden.
    Anfangs hatte Jörg versucht
hinaufzuklettern. Aber das wäre allenfalls einem erfahrenen Alpinisten
geglückt, der die höchsten Schwierigkeitsgrade überwinden kann.
    Schon aus anderthalb Meter Höhe
war Jörg abgestürzt, hatte sich die Knie aufgeschlagen und dabei allen Mut
verloren.
    Natürlich hatte er um Hilfe
gerufen. Immerhin wäre es ja möglich gewesen, daß ein Wanderer zufällig
vorbeikam.
    Aber dieses Glück blieb dem
Jungen verwehrt. Außerdem schien der Brunnenschacht seine Rufe zu ersticken.
Die schon heisere Stimme reichte kaum bis zu den abdeckenden Brettern hinauf,
und es klang so schaurig, daß sich Jörg vor seiner eigenen Stimme fürchtete.
    Den Boden bedeckten Scherben,
Blechdosen und welkes Laub. Allerlei Getier hielt sich dort auf. Käfer, Spinnen,
Würmer. Vielleicht auch Ratten?
    Jörg hatte noch nicht gewagt,
sich auf den Boden zu setzen, wußte aber, daß ihn seine Beine bald nicht mehr
tragen konnten. Dann mußte er sich hinhocken, und zu seiner Angst kam noch der
Ekel vor dem Getier.
    Jörg hatte gebetet, hatte ein
Dutzend Schwüre geleistet, dieses und jenes nie wieder zu tun, wenn er nur
gerettet werde. Er hatte versucht, mit dem Schicksal zu schachern; aber das
Ergebnis war niederschmetternd.
    Niemand kam. Niemand hörte ihn.
Das Wunder blieb aus.
    Oben war Nacht.
    Sonderbarerweise gelangten die
Geräusche von dort zu ihm her — viel vernehmlicher als in umgekehrter Richtung.
    In den verfallenen Gebäuden des
Einöd-Hofs hatten sich Käuzchen eingenistet. Sie schrien. Es klang unheimlich.
Und vom Wald her kamen andere Geräusche, die Jörg zunächst nicht unterscheiden
konnte, bis er begriff, daß sich eine Rotte Wildschweine prustend und grunzend
in einer Schlammkuhle suhlte. Die Frischlinge, die kleinen Wildsäue, quiekten,
die Überläufer, die Halbwüchsigen, stritten und maßen ihre Kräfte. Alles klang
bedrohlich und wild.
    Jörg stand unten im
Brunnenschacht, zitternd, die Arme um sich geschlungen, und horchte auf sein
laut pochendes Herz.
    Später — als er ermattet auf
dem Boden saß und ihn der Schlaf übermannte — hörte er ein Flugzeug am
Nachthimmel, einen Airbus. Aber der war fern, fern, fern — so fern wie der Rest
der Welt.

16. Ätzend!
     
    Tim ging voran, die
Kellertreppe hinunter. Er trug das Päckchen, das für Gaby bestimmt war.
    Seine Freunde folgten. Klößchen
hatte seine Übelkeit vergessen. Oben in der Wohnung bellte Oskar, aber nur
einmal und kurz. Was soll das? hieß es. Wo bleibt ihr? Wird das nun ein
gemütlicher Abend zu fünft — oder nicht?
    TKKG hatten sich

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