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Angst in der 9a

Titel: Angst in der 9a Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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Oskar verschwand er dann in seinem Kinderzimmer.
    »Da ist dein Hund gut aufgehoben«, sagte die Mübo zu Gaby.
     
    Im Wohnzimmer war der Tisch gedeckt. Es gab Schokoladentorte und Plunderstückchen. Die Oma fragte, wer Tee, wer Kakao und wer Limonade trinken wolle; und zunächst sah es so aus, als würde es ein recht fröhlicher Kaffeeklatsch werden.
    Natürlich kam das Gespräch gleich auf Bettger und Drechsel.
    »Jetzt bleibt abzuwarten, wie sie sich verhalten werden«, sagte die Lehrerin. »Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Entweder sie ordnen sich ein oder sie müssen die Schule verlassen. Mir ist nur immer noch rätselhaft, was sie gegen mich haben.«
    Für einen Moment blieb es still.
    Dann räusperte sich Tarzan. »Ihr Mann, Frau Müller-Borrello, ist Autohändler, nicht wahr?«
    Überrascht sah sie ihn an. »Allerdings.«
    »Wussten Sie, dass Bettger und Drechsel bei ihm nach Abschluss des Schuljahres als kaufmännische Lehrlinge anfangen? Sie brüsten sich damit, sie wären fest eingestellt und brauchten nicht mal mehr ihre Zeugnisse vorzulegen. Sie hätten eben Beziehungen.«
    Himmel!, dachte er sofort. Vielleicht hätte ich das nicht sagen sollen. Sie wird ja so weiß wie das Tischtuch.
    Die Mübo blickte auf ihre Hände, schluckte und ihre volle Unterlippe zitterte etwas.
    »Warum erzählst du mir das, Tarzan?«
    »Nun, was ich sonst noch beobachtet habe, wird Sie sicherlich nicht schockieren. Weil Sie ja in Scheidung leben. Gestern bin ich ihrem Mann in der Fattoria begegnet.Er saß dort mit einem Rocker, einem Kerl, der mein Rennrad gestohlen hatte, weshalb ich ihm auf der Spur war. Ihr Mann steckte dem Rocker 1000 Mark zu. Und der sagte: ›Ich fingere das. Bald ist sie weich.‹«
    Die Mübo hatte rasch ihre Teetasse abgesetzt. Ihre Hände zitterten. Um das nicht zu zeigen, schlang sie die Finger ineinander.
    »O Gott!«, sagte sie. Dann, nach einer Weile: »Ich habe es geahnt. Aber ich wollte es nicht wahrhaben.«
    Niemand sagte was. Nichts verpflichtete die Mübo, den Kindern Dinge zu erzählen, die ihre Ehe betrafen.
    Eher hätten sich die vier die Zunge abgebissen, als dass ihnen eine Frage rausgerutscht wäre.
    Aber dann begann die Mübo zu reden.
    »Meine Ehe wird geschieden. Weshalb, das gehört nicht hierher. Jedenfalls lernte ich meinen Mann erst spät so kennen, wie er wirklich ist. Meisterhaft konnte er das verbergen. Wir sind im Streit auseinander gegangen. Und jetzt geht es nur um unseren Sohn. Mein Mann will Marco für sich. Ganz für sich. Ich liebe meinen Sohn sehr und bin überzeugt, dass ich ihn besser erziehen kann als Antonio. Der Streit um das Kind hat sich zugespitzt. Es ist sehr, sehr unerfreulich. Das belastet. Bei unserer letzten Zusammenkunft – das war vor drei Wochen – sagte mein Mann, er werde Mittel und Wege finden, mich zu zwingen. Kurz danach begannen die Anschläge. Ich meine, hier auf mein Haus. Fast gleichzeitig verwandelte sich die 9a in eine Meute feindseliger Schüler, die alle Möglichkeiten ausschöpften, um mir Angst einzuj agen. Einen Zusammenhang habe ich nicht hergestellt. Aber der Verdacht, dass die Anschläge in meinem Privatleben von Antonio gelenkt werden, kam bald. Dass er Rocker bezahlt, damit sie mir die Scheiben einwerfen, traue ich ihm zu.«
    Sie blickte zum Blumenfenster. Dort war eine neue Scheibe eingesetzt.
    »Ich kann nicht ausschließen«, fuhr sie fort, »dass er auch Bettger und Drechsel gedungen hat. Eine grausige Vorstellung. Wer Jugendliche zu so etwas anstiftet und sie mit einer Lehrstelle belohnt... O Gott!«
    Tarzan ließ einen Moment vergehen, ehe er in die Stille sagte: »Aber wenn es so ist – was verspricht er sich davon?«
    »Der Rocker hat es ausgedrückt. Dass ich weich werde. Dass ich nachgebe, ihm Marco freiwillig überlasse. Antonio sieht das als einen Kampf zwischen ihm und mir. Um den Jungen. Er will ihn um jeden Preis. Aber ich weiß, dass Marco dann in eine schlechte Umgebung käme.«
    »Unbegreiflich«, sagte Gaby leise. »Wie kann man so was nur tun?«
    »Um Marco zu bekommen, ist ihm jedes Mittel recht. Er war schon einmal verheiratet, in Südfrankreich. Dort hat er eine Tochter. Als die Ehe geschieden wurde, hat er versucht, die kleine Madeleine zu entführen. Obwohl sie vom Gericht der Mutter zugesprochen war. Erst im letzten Moment, schon dicht vor der Grenze, wurde er gestoppt und das Kind zu seiner Mutter zurückgebracht. Von ihr weiß ich das. Ich lernte sie kennen, als sie uns hier aufsuchte, weil mein Mann

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