Angst ist dein Tod - Ephron, H: Angst ist dein Tod - Come and Find Me
akzeptieren, dass Daniel nicht mehr da war. Jede Berührung mit Daniels Spazierstock schien ihn zu ihr zurückzubringen.
»Der Stock riecht nicht«, hatte Ashley gesagt. »Es ist nicht einmal Kiefer.«
»Es ist kein echter Geruch«, hatte Diana zu erklären versucht. Zu sagen, dass es Daniels Wesen sei, klang zu verrückt. »Es ist eher ein Gefühl. Es ist Daniel.«
»Du bist das«, hatte Ashley gesagt. »Und vielleicht sein Geist in deinem Kopf. Ein Phantom.«
In jenem Frühjahr, etwa zu der Zeit, als die Schneeglöckchen, wie Ashley korrekt vorausgesagt hatte, in Dianas Garten blühten, fanden Wanderer nahe der Stelle, an der Daniel verschwunden war, menschliche Überreste, über die sich Raubvögel bereits hergemacht hatten, und eine orangefarbene Skijacke. Jake flog in die Schweiz, um Daniel zu überführen. Aber alles, was er mitbrachte, war eine Messingurne mit seiner Asche. Als Diana sie in den Händen hielt, spürte sie absolut nichts.
»Siehst du es nun ein?«, hatte Ashley gesagt. »Er ist wirklich und wahrhaftig von uns gegangen.«
Das war der Moment, in dem sie aufgegeben hatte.
Jake hatte in der Schweiz Unterlagen bekommen, mit denen Daniel rechtlich für tot erklärt werden konnte. Er hatte Diana überredet, die ausgezahlte Lebensversicherung – immerhin eine Million Dollar – in das Geschäft zu stecken, das sie nach ihrer Rückkehr aus der Schweiz aufziehen wollten. Sie wusste, ihr zu helfen war Jakes Art, mit der Schuld umzugehen, die er wegen Daniel empfand – immerhin war es Jake, der das Seil gesichert hatte.
Ein Ping aus ihrem Computer riss Diana in die Gegenwart zurück. Ein Chatfenster hatte sich geöffnet.
GROB: Bist du da?
Dieses Mal war ihr die Unterbrechung willkommen. Einen Augenblick später fügte er hinzu:
GROB: Ich möchte dir etwas zeigen. Treffen wir uns? 1329, 4655.
Sie sah auf die Koordinaten, als gälte es, den Ziffern oder deren Anordnung eine bestimmte Bedeutung zu entlocken. War das sicher? Was es bedeuten konnte, sich zu ungeprüften Koordinaten zu teleportieren, hatte sie bitter erfahren müssen. In manchen Gegenden von OtherWorld trieben sich boshafte Spieler herum, die nur darauf aus waren, anderen das Leben schwer zu machen. Einmal war sie in eine Versammlung geraten, die sie für ein geschäftliches Treffen mit einem neuen Kunden gehalten hatte, die sich aber unversehens als eine Kampfsimulation herausstellte. Nadia, ihr Avatar, war plötzlich in einem zylindrischen Käfig gefangen gewesen, bis ein Troll aufgetaucht war, den Käfig umgeworfen und ihn mit ihr einen Hügel hinunter in einen See gerollt hatte.
Natürlich wusste Diana, dass diese Typen nicht real waren, sondern nur »Comicfiguren«, wie Ashley es nannte. Dennoch war sie von Panik ergriffen gewesen. Ihr Herz hatte gerast, und sie bekam keine Luft. Der Pegel von Nadias Gesundheitsanzeige sank bedrohlich ab, und ihr Körper wurde immer durchsichtiger.
Auf eine derartige Erfahrung konnte Diana gern verzichten, auch wenn Nadia nach dem »Tod« einfach nach Hause teleportiert wurde, wo sie ihr »Leben« neu starten konnte, als wäre es nie beendet worden.
GROB: Komm schon. Ich beiße nicht.
Sie hörte Ashleys Worte: Liebes, meinst du nicht, dass es Zeit wird, jemanden hineinzulassen? Diana kopierte die neuen Koordinaten in die Landkarte von OtherWorld . Na gut, die Gegend war nicht schadenaktiviert. Es waren keine Beschwerden gemeldet worden. Mit einem Klick rief sie eine Karte auf, die ihr einen Überblick über die Umgebung rund um diese Koordinaten verschaffte. Der einzelne gelbe Punkt zeigte ihr, dass ein Avatar bereits dort war. Nur einer. GROB wartete auf sie.
Diana setzte das Headset auf und teleportierte Nadia. Ein Glockenton erklang, und Sanddünen bauten sich um sie herum auf. Sie drückte auf eine Pfeiltaste und ließ Nadia den Hang hinauf auf den anderen Avatar zugehen, wobei sie bei jedem Schritt knietief im virtuellen Sand versank.
GROB wandte ihr den Rücken zu. Er trug einen hellgrauen Cowboyhut, Jeans und schwarze High-Tops mit weißer Sohle. Sein dunkles, gewelltes Haar reichte ihm bis zur Schulter. Während sie auf ihn zuging, konnte sie erkennen, wohin sein Blick schweifte. Wellen, die sich am Strand brachen, und Wasser, das bis zum Horizont reichte.
Er drehte sich um, hob einen Arm und winkte. Unter der Krempe seines Stetson spiegelte sich Nadja im Glas der verspiegelten Sonnenbrille. Das zu programmieren musste extrem kompliziert gewesen sein. Das kantige Kinn, die
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