Angst sei dein Begleiter: Thriller (German Edition)
Rückseite des Gebäudes.
Jennifer entdeckte die Leiche zuerst, und ihr lautes Luftschnappen warnte Tyler vor dem Anblick. Der Anblick des Mädchens, das an den Container gelehnt saß, war scheußlich und löste Brechreiz in ihm aus. Nicht, weil die Szene so hässlich war, sondern vielmehr, weil Ben mit seiner Schilderung ins Schwarze traf – es war total verrückt.
Mit ihrem goldenen Fransenkleid sah sie aus, als käme sie direkt aus den wilden Zwanzigern. Die Beine seitlich abgeknickt, wirkte es, als hätte sie gerade Charleston getanzt, bevor der Tod sie plötzlich ereilte.
Ihr kurzes, lockiges Haar unter dem goldenen Stirnband saß perfekt, und ihr Schmollmund mit dem ausgeprägten Amorbogen leuchtete rot. Die Augenlider der Toten waren rußschwarz geschminkt und ihre Wimpern so kräftig getuscht, dass sie fast stachelig wirkten.
»Herrgott«, stieß Jennifer matt hervor. »Genau wie die Braut. Perfekt in Positur gebracht.«
Und eben das war Tyler auf den Magen geschlagen – er hatte auf Anhieb an Kerry Albright denken müssen. Dabei hatte er inständig gehofft, dass der Mord an Kerry ein Einzelfall sein möge, dass jemand sie aus einem ganz bestimmten Grund umgebracht hatte, einem Grund, der irgendwie mit dem Brautkleid zusammenhing. Aber sofern dieses junge Mädchen nicht auf dem Heimweg von einem Kostümfest ermordet worden war, ließen die Besonderheiten dieses Falls den Mord an Kerry in einem völlig anderen Licht erscheinen.
Zunächst sah sich Tyler in der näheren Umgebung um und stellte fest, dass es relativ einfach gewesen sein dürfte, mit einem Fahrzeug vorzufahren, die Leiche hinzudrapieren und dann wieder wegzufahren, ohne dass jemand etwas gesehen hatte. Leider waren auf dem Asphalt keine Reifenspuren auszumachen, die zur Identifizierung des Täterfahrzeugs hätten beitragen können.
»Sieh dich um, ob du irgendetwas findest, anhand dessen wir sie vielleicht identifizieren können«, sagte Tyler zu Jennifer und bat einen der uniformierten Officers, im Müllcontainer nachzuschauen, ob er dort eine Handtasche oder Ähnliches fand.
Während sie sich an die Arbeit machten, kniete sich Tyler neben das tote Mädchen, und sein Verstand verarbeitete rasch die weiteren Eindrücke. Sie war jung, vermutlich zwischen zwanzig und fünfundzwanzig Jahre alt. Wie bei Kerry, wies auch dieses Opfer keine Verletzungen auf, die auf eine Gegenwehr hätten schließen lassen. Ihre Fingernägel waren feuerrot lackiert und zeigten weder Risse noch Brüche.
Am Hals entdeckte er bläuliche Hämatome wie bei Kerry Albright. Diese waren, zusammen mit den petechialen Blutungen in den Augen des Opfers, eindeutige Hinweise auf einen Tod durch Erwürgen.
»Wir haben es mit einem Verrückten zu tun, stimmt’s?«, fragte Jennifer neben ihm. Ihre Suche in der Umgebung war offenbar erfolglos verlaufen.
»Du kennst mich, ich ziehe nicht gern voreilige Schlüsse, aber sagen wir so, ich habe kein gutes Gefühl bei dieser Sache … Ich habe sogar ein sehr schlechtes Gefühl.« Tyler richtete sich auf, ohne den Blick von der Toten zu wenden, und fragte sich, was für Phantasien der Mörder hatte.
Er schien gut durchorganisiert und intelligent zu sein. Wenn sie nicht herausbekamen, was ihn motivierte, was der Anlass für die Kostümierung und das kunstvolle Drapieren der Körper war, dann würde dieser unbekannte Täter, so fürchtete Tyler, schwer zu fassen sein.
»Der Container ist leer«, meldete Officer Mathis wenige Minuten später. »Ich habe mit dem Geschäftsführer gesprochen, und er sagte, die Müllabfuhr hätte ihn gestern Nachmittag geleert.«
»Dann wissen wir jetzt mit einiger Sicherheit, dass die Leiche irgendwann letzte Nacht hier abgelegt worden ist«, schlussfolgerte Tyler. »Wäre sie schon hier gewesen, als die Müllabfuhr kam, hätte jemand sie entdeckt.«
Die Leute von der Spurensicherung kamen, und direkt über dem Fundort wurde eine große Plane gespannt, für den Fall, dass das Unwetter hereinbrach, bevor sie ihre Arbeit beendet hatten.
Tyler überwachte die Spurensicherung, und Jennifer machte sich Notizen, während das Donnergrollen über ihnen immer lauter wurde und grelle Blitze aus den schwarzen, aufgewühlten Wolken zuckten.
Um kurz nach sieben waren sie fertig, hatten alles eingesammelt, was zu finden war, und das Opfer sollte nun zur Autopsie in die Gerichtsmedizin gebracht werden.
Als Jennifer und Tyler zurück zum Wagen gingen, frischte der Wind auf, und die ersten Regentropfen
Weitere Kostenlose Bücher