Angst sei dein Begleiter: Thriller (German Edition)
ihr so etwas zustieß. Jetzt hätte sie eigentlich zu Hause bei ihren Mitbewohnerinnen sein sollen. Sie hätte ihren pink-blauen Pyjama tragen und sich bettfertig machen sollen.
Diesen Mann hatte sie noch nie gesehen. Warum hatte er sich ausgerechnet sie ausgesucht? Was hatte er mit ihr vor? O Gott, ihr Herz hämmerte so wild, als wollte es die Rippen durchschlagen.
Als er anfing, ihr langes dunkles Haar liebevoll zu bürsten, mischte sich kalter Ekel zu dem nackten Entsetzen, das sie beherrschte. Schlimmer noch, als er sich an sie drängte, spürte sie, dass er einen Ständer hatte.
Zwar hatte sie sich große Mühe gegeben, nicht zu weinen, weil sie wusste, dass sie aufgrund des Klebebands auf ihrem Mund daran ersticken könnte, doch jetzt begannen die Tränen zu fließen.
»Hör auf«, befahl er. »Hör auf, sonst sind deine Augen nachher ganz rot und verquollen.« Mit zornesrotem Gesicht schleuderte er die Haarbürste zu Boden. »Hör auf zu heulen!«
Sie blinzelte, versuchte verzweifelt, die Tränen zurückzuhalten, während er durch den Raum stapfte und eine Puppe hochhob, die einen Kimono trug. Mit zitternder Hand streckte er sie ihr entgegen. »Schau sie dir an. Sind ihre Augen etwa rot? Sieht sie aus, als hätte sie geweint?«
Sie schüttelte wild den Kopf, wollte ihm bloß zustimmen und tun, was immer notwendig war, um die Wut aus seinem Blick zu bannen, doch die Tränen ließen sich nicht aufhalten.
Er atmete tief durch und schloss für einen langen Moment die Augen. Als er sie wieder öffnete, sah er sie mit einer Nüchternheit an, die ihr noch mehr Angst einflößte als seine Wut.
Wortlos stellte er die Puppe auf den Tisch zurück und kam auf Sulee zu. »Ich kann das nicht dulden. Du machst mir noch alles kaputt. Ich hatte gehofft, du würdest an deiner endgültigen Verwandlung Anteil nehmen, aber ich fürchte, dazu wird es jetzt nicht mehr kommen.«
Er legte ihr die Hände um den Hals und neigte sein Gesicht so nah zu ihr heran, dass sie den Wahn in seinen Augen erkannte.
Sie versuchte, sich zu wehren, doch innerhalb von Minuten bekam sie keine Luft mehr, und bevor die Bewusstlosigkeit sie umfing, hörte sie ihn flüstern: »Aus dir wird eine wunderschöne Puppe.«
»Scheiße«, sagte Jennifer und sprach damit Tylers Gedanken aus, als sie die tote Frau auf einer Grasfläche hinter der Pizzeria entdeckten.
»Sie sieht wie eine echte Geisha aus«, bemerkte Jennifer.
Noch im Tod war die junge Frau wunderschön. Ihre feinen Gesichtszüge wurden durch das traditionelle japanische Make-up betont, und obwohl es bereits kurz nach neun Uhr morgens war und die Temperatur fast dreißig Grad betrug, waren noch keine Anzeichen der Verwesung zu entdecken.
»Auch wenn sie wie eine echte Geisha aussieht, wissen wir beide, dass das hier das Werk unseres perversen Mistkerls ist«, erwiderte Tyler barsch.
Das Opfer war bereits identifiziert. Die Durchsicht der Vermisstenanzeigen hatte sie auf den Namen Sulee Hwang gebracht. Ihre Mitbewohnerinnen hatten sie spät am vorherigen Abend als vermisst gemeldet.
Sulee hatte am Dienstagabend die Wohnung verlassen, um an einem Abendkurs am Maple Woods Community College teilzunehmen. Nach dem Unterricht war sie nicht nach Hause gekommen.
Sulee galt jetzt nicht mehr als vermisst, doch was Tyler mehr als alles andere beschäftigte, war die Tatsache, dass der Mörder seinen Zeitplan im Vergleich zu vorher enorm gestrafft zu haben schien.
Die anderen beiden Frauen waren abgelegt worden, als die Verwesung bereits eingesetzt hatte. Dieser hingegen hatte er sich offenbar schon kurz nach ihrem Tod entledigt.
Wie bei den anderen beiden war entledigt im Grunde nicht das richtige Wort. Sulee war behutsam ins Gras gebettet worden. Kein Fältchen verunzierte den rot-schwarzen Seidenkimono, in den sie gekleidet war. Ihre Arme waren seitlich ausgestreckt, als hätte sie die Absicht gehabt, einen Schnee-Engel zu fabrizieren.
Es war eine Tragödie. Es war grotesk, und es war höllisch frustrierend. Auch dieses Mal hatte ein anonymer Anrufer den Fundort Sulees gemeldet. Unglücklicherweise war der Anruf nicht bei der Polizei, sondern bei einem Reporter eingegangen, und zwar ausgerechnet bei Reuben Sandford, der beschlossen hatte, zuerst selbst nachzusehen, bevor er die Polizei rief.
Er hatte die Leiche gefunden, sich prompt übergeben und dadurch ein Stück links vom Opfer verschmutzt. Jetzt stand er, blass und ernst, neben einem Polizisten.
Tyler musste ihn noch vernehmen. Er
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