Angst sei dein Begleiter: Thriller (German Edition)
besonders, als ihr Vater ihr erklärte, dass Elefanten zwar große, aber sehr sensible Geschöpfe seien, die spielten und lachten und auch tief trauerten, wenn ein Familienmitglied starb.
Sie hatte ihm gestanden, dass sie ihn und die Elefanten liebte, und er hatte ihr einen Elefanten geschenkt, doch kurz danach war er aus ihrem Leben verschwunden.
Die aufwallende Bitterkeit bei dem Gedanken an seine Entscheidung raubte ihr den Appetit, und so stocherte sie bloß in ihrem Kalbfleisch herum. Charlie hatte seinen Teller bereits leergeputzt und schielte verlangend nach ihren Resten.
Sie schob ihm den Teller hin. »Schlag dir den Bauch voll, Kleiner.« Er verputzte nicht nur den Rest ihrer Mahlzeit, sondern aß zum Nachtisch auch noch ein großes Stück Käsetorte, während sie an einer Tasse Kaffee nippte.
Als er fast aufgegessen hatte, zückte sie einen Umschlag, den sie zuvor vorbereitet hatte. »Das ist für dich«, sagte sie und schob ihn über den Tisch.
Charlie sah sie gespannt an und griff nach dem Umschlag. Er öffnete ihn, und als er den Inhalt sah, riss er die Augen auf. »Ein Scheck. Warum gibst du mir einen Scheck?«
»Ich bin es gewohnt, meine Hilfskräfte zu bezahlen«, erwiderte sie. »Du hast heute gut gearbeitet, Charlie, und dir jeden Penny ehrlich verdient. Und der Schlüssel gehört zu meiner Wohnung. Ich finde, ein Bruder sollte im Besitz des Schlüssels zur Wohnung seiner Schwester sein.«
Er schob Schlüssel und Scheck zurück in den Umschlag und steckte ihn in die Tasche. Als er Annalise ansah, war sein Blick tief bewegt. »Ich wusste, dass du klasse bist, bevor ich dich überhaupt gesehen habe. Ich wollte nur …« Er senkte den Blick auf seinen Teller.
»Was möchtest du, Charlie?«, drängte sie.
Er schaute sie wieder an. »Ich wollte, wir hätten uns schon früher kennengelernt.«
Seine Worte schnürten ihr die Kehle zu, und sie versuchte, den Kloß in ihrem Hals hinunterzuschlucken. Annalise griff über den Tisch hinweg nach seiner Hand. »Wir haben noch sehr viel Zeit vor uns, Charlie. Wir werden so viele gemeinsame Erinnerungen sammeln, dass in deinem Herzen gar nicht genug Platz dafür ist.«
Es dämmerte schon, als sie das Joey’s verließen und durch den Park zu ihrer Wohnung gingen. »Einen von den Filmen, die ich mitgebracht habe, haben wir gestern Abend noch nicht gesehen. Hättest du jetzt Lust, ihn anzuschauen?«, fragte er, als sie vor der Haustür angelangt waren.
»Klar.« Sie fischte ihren Schlüssel aus der Handtasche, doch bevor sie die Tür aufschließen konnte, tauchte Max aus einer Seitengasse auf und kam direkt auf sie zu.
Charlie trat beschützend vor Annalise. »Alles in Ordnung«, sagte sie. »Ich kenne ihn.« Sie lächelte Max an. »Hi, Max.«
Max beachtete sie nicht, sondern starrte Charlie an. »Mickey?«, sagte er leise, mit einer Stimme, die heiser und belegt klang.
Charlie wich einen Schritt zurück, als Max eine zitternde Hand nach ihm ausstreckte. »Mickey, wo hast du gesteckt? Wo ist dein Bruder?«, fragte Max. Hoffnung leuchtete in seinen Augen, als er Charlie musterte.
Diesmal war es Annalise, die zwischen ihren Bruder und den Obdachlosen trat. »Max, das ist mein Bruder Charlie. Er heißt nicht Mickey, sondern Charlie«, betonte sie.
Der alte Mann starrte erst Charlie, dann Annalise verwirrt an. Es war schmerzhaft, die Traurigkeit in seinen glasigen Augen zu sehen. »Charlie, nicht Mickey?«
»Ganz recht«, sagte Annalise. Ihr tat das Herz weh, als Max vor ihren Augen um Jahre zu altern schien. Seine breiten Schultern krümmten sich, und das Leuchten in seinen Augen erlosch. »Nicht Mickey«, brummte er und wandte sich zum Gehen.
»Das war komisch«, sagte Charlie, als Max fort war und sie in den Laden traten.
»Max ist einer der Obdachlosen, die in dieser Gegend leben. Ich gebe ihm manchmal etwas zu essen«, erklärte sie.
»Armer Kerl«, sagte Charlie mit aufrichtigem Mitleid. »Ich möchte wissen, wer Mickey ist.«
»Wer weiß.«
Auf dem Weg die Treppen hinauf zu ihrer Wohnung versuchte Annalise, nicht an ihr letztes Gespräch mit Max zu denken. Der Teufel ist hinter dir her, Annalise – die Wahnvorstellungen eines geisteskranken Alkoholikers.
Der restliche Abend verging schnell. Sie sahen sich den Film an und fanden sich plötzlich in einer verrückten Kissenschlacht wieder, bei der sich Annalise wie ein Teenager fühlte.
Gegen halb elf wurden Charlies Lider schwer, und er gab zu, dass er todmüde war. Annalise richtete ihm
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